Das Verhalten der streikenden Lokführer ist für Bahnreisende nicht mehr nachvollziehbar. Im Kern geht es der Gewerkschaft GDL schließlich darum, einen einheitlichen Flächentarifvertrag für alle Zugführer durchzusetzen. Gegen den sperren sich vor allem die Privatbahnen, die nicht ganz zu Unrecht einen Wettbewerbsnachteil gegenüber dem Platzhirsch Deutsche Bahn fürchten.

Doch statt mit den Streiks ebenjene Privatbahnen ins Visier zu nehmen, konzentriert sich die GDL in ihrem Arbeitskampf nun erneut auf die Deutsche Bahn und ihre Millionen von Kunden. Da drängt sich der Verdacht auf, dass die Reisenden vor allem deshalb zu Geiseln der Gewerkschaft werden, weil sich mit Streiks beim Marktführer die größte Wirkung erzielen lässt. Würden ausschließlich kleine Bahnen wie der Metronom oder die Nord-Ostsee-Bahn bestreikt, dann dürfte dies kaum jemanden scheren.

Doch die Taktik der GDL wird kaum aufgehen, sie könnte sich sogar als kontraproduktiv erweisen. Mit ihren unverhältnismäßigen Streiks bringt die Gewerkschaft nämlich nicht nur die Bahnreisenden gegen sich auf. Sie ruft auch jene Kräfte auf den Plan, denen die Macht kleiner, aber schlagkräftiger Berufsgruppen ohnehin ein Dorn im Auge ist. Arbeitgeber und DGB drängen derzeit in seltener Eintracht die Bundesregierung, die Macht aggressiver Spartengewerkschaften zu beschränken.

Noch zögert Kanzlerin Angela Merkel, diesen Forderungen nachzugeben. Doch wenn der Bahnstreik wie vor vier Jahren ausufert, könnte sich dies ganz schnell ändern.