Gewalt zwischen Muslimen und Christen eskaliert

Die arabischen Völker hätten es viel schwerer mit ihren Revolutionen als die osteuropäischen vor zwei Jahrzehnten, sagt Vaclav Havel, ehemals inhaftierter Dissident und später tschechischer Staatspräsident. Denn die 89er-Rebellen in Europa hätten sich immerhin auf gewisse demokratische Traditionen stützen können.

Vor allem aber hatten sie nicht jenen Ballast, der zum Beispiel auf der Entwicklung in Ägypten lastet. Dort ist der gemeinsame Feind Mubarak verjagt, die Euphorie klingt ab und alte Gegensätze brechen wieder auf - wie jene zwischen koptischen Christen und Muslimen. Der Umsturz in Kairo war nicht religiös oder ethnisch motiviert - wir sind doch ein Volk, lautete der uns Europäern wohlbekannte Schlachtruf. Die nun wieder aufgeflammte Gewalt gegen die Kopten basiert jedoch auf religiöser Intoleranz; Auslöser war bezeichnenderweise die Liebesbeziehung von einer Muslimin mit einem Kopten. Das Leben der ohnehin benachteiligten Christen ist gefährlicher geworden, während die ebenfalls unter Mubarak ausgegrenzten Muslimbrüder Morgenluft wittern. Triebkraft für antichristliche Pogrome ist auch radikalislamisches Gedankengut, das ägyptische Gastarbeiter aus Saudi-Arabien eingeschleppt haben. Es wird jedoch kaum möglich sein, eine Zivilgesellschaft in Ägypten aufzubauen, ohne zunächst derartige Feindseligkeiten beizulegen.