Die SPD hat flächendeckend die Mehrheit erobert. Bis auf Spadenland und Tatenberg - die beiden einzigen Stadtteile, in denen die CDU die Nase vorn hat

Hamburg. Zwischen den Flusskilometern 611 und 615 zieht sich die Landschaft an Norderelbe und Kuhwiesen dahin. Keine 500 Einwohner zählt der Stadtteil Spadenland im Bezirk Bergedorf. Einige Hofläden, ein langer Deich und jetzt die Eigenart, gemeinsam mit dem Nachbarstadtteil Tatenberg letzte Hochburg der CDU in Hamburg zu sein, charakterisieren dieses hübsche Fleckchen Erde.

Nach der Bürgerschaftswahl sind diese beiden Stadtteile die Einzigen, in denen die CDU nach Auszählen der Landeslisten-Stimmen vor der SPD liegt - und das auch nur sehr knapp.

Hamburg, so lässt sich feststellen, ist nahezu komplett rot geworden, bis auf diesen letzten schwarzen Fleck. Noch 2008 führten die Hamburger Christdemokraten nach der Stimmenauszählung in gut 80 Hamburger Stadtteilen vor der SPD.

Überall im Stadtgebiet erlebte die Partei von Kurzzeit-Bürgermeister Christoph Alhhaus eben teils dramatische Abstürze. Auch im Spadenland übrigens, dort verlor sie gut 18 Prozentpunkte.

Bezeichnend ist der Verlust einige Kilometer weiter nordwestlich im vornehmen Stadtteil Othmarschen - oder genauer im Stimmbezirk rund um das Gymnasium Hochrad (siehe Bericht Seite 10). Hier war der eigentliche Ausgangspunkt des Bürgerprotests gegen die Schulreform, die CDU und GAL durchbringen wollten und die letztlich durch einen Volksentscheid gekippt wurde. Noch 2008 gewann dort die CDU 70,2 Prozent der Stimmen - jetzt lag sie in dem Stimmbezirk bei nur noch 37,4 Prozent. Ein Rutsch nach unten um 32,8 Prozentpunkte! Profitiert davon hat die FDP, die sich immer klar gegen die Reform ausgesprochen hatte. Sie erreichte im Wahllokal Hochrad mit 26,7 Prozent eines ihrer besten Ergebnisse. Auf Stadtteile bezogen besonders stark waren die Elbliberalen - wie nicht anders zu vermuten - in den wohlhabenderen Quartieren, wie eben Othmarschen, Nienstedten (17,3 Prozent), Blankenese (18,8 Prozent) oder auch Rissen (13,1 Prozent). Insgesamt profitierte die FDP vom CDU-Desaster, ermittelten die Wissenschaftler von der Forschungsgruppe Wahlen. Besonders bei Männern, die älter als 60 Jahre sind, habe sich diese Verschiebung bemerkbar gemacht, ermittelte die Forschungsgruppe durch eine Umfrage.

Die SPD hingegen gewann so gut wie überall dazu. Übrigens auch im Stimmbezirk Hochrad. Dort verbesserte sie sich von mageren 8,6 Prozent bei den vorherigen Bürgerschaftswahlen auf jetzt 25,9 Prozent. Dahinter muss das Phänomen stecken, dass auch sonst eher konservativ geprägte Wähler diesmal die von ihrem Spitzenkandidaten Olaf Scholz auf strammen Wirtschaftskurs getrimmte SPD wählten. Finanzen und Wohnungsbau - bei solchen Politikfeldern punktete die SPD diesmal besonders, so die Forschungsgruppe.

Mancherorts erreichte die Scholz-Partei dabei wahre Höhenflüge. Zum Beispiel in Lurup im Bezirk Altona. Dort im südlichen Lurup, einem Stadtteil mit Einfamilienhäusern und einigen Saga-Mietsbauten, schaffte sie mehr als 60,4 Prozent. Eines der besten Ergebnisse erzielte sie hier im Stimmbezirk Langbargheide: 68,8 Prozent der gültigen Landeslistenstimmen erreichte die SPD dort. Auch zu diesem Erfolg dürften Wähler beigetragen haben, die bisher noch nie ein Kreuz bei den Sozialdemokraten gemacht hatten, vermutet der Luruper SPD-Politiker und Altonaer Fraktionschef Thomas Adrian. "Nachbarn, die sonst eher konservativ sind, haben mir schon vorher angekündigt, dass sie Olaf Scholz wählen wollen", sagt er.

Und die GAL? Ein bisschen mehr als sonst hat sie gelegentlich erreicht, aber keine rauschenden Erfolge. Vielmehr bleibt es bei den grünen Kuschelecken wie Ottensen (20,2 Prozent), Sternschanze (25 Prozent) oder Eimsbüttel (23,4 Prozent) und St. Pauli (21,7 Prozent). Doch in vielen dieser eher jüngeren Stadtteile gibt es auch eine neue revolutionäre Kraft, wie es scheint: Auffällig oft fallen gute GAL-Ergebnisse auch mit guten Ergebnissen der Internetaktivisten von der Piratenpartei zusammen.

Auf der Veddel haben die Piraten mit 13 Prozent sogar die Verfolgung der Grünen (15,6) aufgenommen. Gute Werte erreicht diese neue Partei auch in Hammerbrook - offensichtlich wie die Veddel ein Stadtteil für jüngere gebildete Menschen, denen die Hochburgen der Alt-Grünen zu teuer geworden sind. Spannend ist in diesem Zusammenhag vor allem der Stadtteil St. Pauli: Hier schaffte die Piratenpartei 6,8 Prozent und damit sogar mehr als die CDU, die nur noch 5,8 Prozent erreicht.

Recht bemerkenswert ist hier wohl das Ergebnis im Wahllokal Friedrichstraße beim Hans-Albers-Platz: Die CDU hüpfte dort knapp über die Fünf-Prozent-Hürde - während die Piraten bei 15,3 Prozent liegen. St. Pauli ist damit, wenn man so will, seit Sonntag der Antipode vom Spadenland. Wohl nicht nur parteimäßig.