Hamburg bekam einen Wahlkampf, der zu der Stadt passt

Wir leben offenbar in glücklichen Zeiten. Wer den Bürgerschaftswahlkampf 2011 verfolgt, wähnt sich auf einer Insel der Seligen. Keine Kontroverse spaltet die Stadt, keine Krise erschüttert die Menschen, keine Inhalte polarisieren die Parteien. Ein selten apolitischer, ja schläfriger Wahlkampf liegt hinter uns. Und ein seltsamer obendrein.

Es war ein Wahlkampf der vertauschten Rollen. Auf der einen Seite stand Bürgermeister Christoph Ahlhaus (CDU), dem die denkbar schlechteste Ausgangsposition zukam. Er übernahm 2010 im Moment der totalen Niederlage - dem Desaster der schwarz-grünen Schulreformpläne und dem Rücktritt Ole von Beusts - und kämpfte fortan gegen ein Dauerfeuer aus Meinungsumfragen. 16-mal prophezeiten die Demoskopen der CDU den Machtverlust. Als Antwort setzte Ahlhaus auf einen Wahlkampf der Ehrlichkeit. Selten hat man einen Amtsinhaber so selbstkritisch in die Schlacht ziehen sehen; in fast allen Fragen gestand Ahlhaus frank und frei Fehler ein. Das sollte sympathisch wirken, war aber in der Massierung kontraproduktiv. Wer sich zu oft entschuldigt, erschüttert seine Glaubwürdigkeit, wirkt durchsetzungsschwach oder gar feige im Angesicht des übermächtigen Gegners. Selten hat zugleich ein Herausforderer sich so selbstbewusst bis selbstherrlich als Bürgermeister in spe präsentiert wie Olaf Scholz. Als sei er schon im Amt, vereinbarte er mit dem Landeselternausschuss die Senkung der Kita-Gebühren oder beerdigte die Stadtbahnpläne. Ansonsten setzte auch Scholz auf programmatische Unschärfe und predigte "Klarheit", "Verantwortung", "Vernunft". Klingt gut, sagt gar nichts - so wenig wie die CDU mit ihrer Sinn suchenden Frage "Und nu?"

Fakt ist: Die großen Parteien sind sich näher, als ihnen in Wahlkampfzeiten lieb sein kann. Das mag den Unterhaltungswert eines Wahlkampfes mindern, für die Stadt indes muss es kein Schaden sein. Die Hamburger haben stets die Macht in der Mitte gewollt und gewählt. Das Erfolgsgeheimnis der Hamburg-Partei SPD war stets ein bürgerlicher Bürgermeister an die Spitze; die Beust-CDU schöpfte ihre Kraft aus der Verortung als liberale Großstadtpartei. Diese Wahlverwandtschaft der regierenden Parteien mögen einige Langeweile nennen, in Wahrheit ist es "vox populi", die Stimme des Volkes. An diesem Sonntag wird sie wieder sprechen.

Es steht zu hoffen, dass viele Hamburger ihr Wahlrecht nutzen. Dieser Tage bedarf es nur eines Blickes in die Nachrichten, nach Nordafrika, Arabien oder in den Iran, um den Wert einer Wahl neu schätzen zu lernen. Unsere Langeweile ist Luxus. Wir leben in der Tat auf einer Insel der Seligen.