Eine 90-jährige, fast blinde Seniorin aus Kirchdorf wurde Opfer eines besonders hinterhältigen Trickdiebes. Die Polizei vermutet einen Serientäter.

Kirchdorf. Helene C. ist kaum 1,60 Meter groß, ihre Augen wollen nicht mehr so, hinter ihren Ohren klemmen Hörgeräte. Sie geht langsam an ihrem Gehwagen. Aber sie geht. Für ihre 90 Jahre ist sie sogar noch ziemlich gut zu Fuß. Und der Kopf funktioniert. Einwandfrei, wie sie mit wissendem Lächeln - und gern - betont. Doch: Auch Cleverness und Lebenserfahrung haben nicht verhindern können, dass die sonst so fröhliche 90-Jährige (Name geändert) Opfer eines Trickdiebes wurde. Der Mann, nach dem die Polizei jetzt fahndet, ging mit einer besonders hinterhältigen Masche vor.

Montag, gegen Mittag, war Helene C. vom Supermarkt heimgekommen. In dem Hochhaus, in dem sie wohnt, steuerte sie ihren Rollator in den Fahrstuhl. Ein Mann - der Täter - kam hinter ihr her. Wie sie fuhr er in den siebten Stock. Beiläufig fragte er nach ihrem Namen und stellte sich dann als Kriminalbeamter vor. Zu ihr wolle er, was für ein Zufall. Bei ihr sei eingebrochen worden, er würde ermitteln. Helene C. bekam einen gehörigen Schreck. Sie merkte nicht, dass sie schon jetzt voll und ganz auf den Trick des Betrügers hereingefallen war, dass sie ihm mehr vertraute, als sie sonst einem Fremden vertraut. Der Mann folgte ihr in die Wohnung. Helene C.: "Als ich aufschloss, wunderte ich mich noch, denn die Tür sollte ja aufgebrochen worden sein. Der Polizist sagte, er habe sie wieder zugezogen. Diese Einbrecher würden heute keine Türen mehr kaputt machen. Die würden das mit einem Dietrich oder Nachschlüsseln machen."

In der Wohnung bat der höfliche Gast die Seniorin, mal nachzusehen, ob ihre Wertsachen noch da seien. Helene C. ging ins Schlafzimmer. Der Schmuckkasten? Noch da. Helene C. ging ins Wohnzimmer, nahm ein Kissen vom Sofa, zog einen Briefumschlag hervor. 1000 Euro, Geld, das sie seit einem halben Jahr zusammengespart hatte, um den Eigenanteil einer dringend notwendigen Operation zu bezahlen. Die Rechnung müsste bald kommen. Noch da. Dann bat der Polizist sie, noch kurz ihren Ausweis zu holen, dazu Papier und einen Stift. Er brauche ja noch ihre Personalien. Ach, und übrigens, der dreiste Einbrecher, der säße schon unten im Auto, bei seiner Kollegin. Und plötzlich, nachdem er so tat, als telefonierte er, entschwand der Polizist. Seine Kollegin, so ließ er sein Opfer wissen, käme gleich noch einmal zu ihr hoch. Die 90-Jährige, Witwe eines Lokführers, war ängstlich und erleichtert zugleich. Nach einem Anruf ihres Sohnes war Helene C. nur noch ängstlich. Noch immer hatte sie auf den vermeintlichen Kripo-Mann gewartet, als der Sohn sie bat, nun noch einmal nach den Wertsachen zu sehen. Alles war weg, die Ringe, die ihr Mann ihr geschenkt hatte, die Eheringe, das Geld für die Operation. Helene C. zitterte. Ihr Sohn eilte zu ihr, brachte die echte Polizei mit. Eine Personenbeschreibung kann Helene C. nicht geben. Nur so viel: "Es war ein ganz netter Herr. Er sprach Hochdeutsch." Nun fragt sich Helene C., wie sie so dumm sein konnte. Die Polizei geht davon aus, dass es sich bei dem Mann, der neben dem Bargeld Schmuck im Wert von 5000 Euro erbeutete, um einen Serientäter handelt. Helene C. möchte, dass der Täter nicht noch einmal so einen Erfolg hat wie bei ihr. Ihre Enkel haben gesagt: "Hauptsache, du lebst, Omi!" Aber die Tat hat sie doch ganz schön mitgenommen. Wer am Montag gegen 13 Uhr in der Straße Ottensweide Verdächtiges beobachtet hat, sollte die Polizei unter 428 65 44 10 anrufen. Die Abendblatt-Redaktion "Von Mensch zu Mensch" hat Helene C. eine finanzielle Spontanhilfe übermittelt.