Ein Kommentar von Armgard Seegers

Jedes Jahr warten die Theaterinteressierten gespannt darauf, welche Inszenierungen die Jury des Theatertreffens für das Berliner Festival im Mai ausgewählt hat. Und jedes Jahr kennt man selbst Inszenierungen, die wunderbar, beglückend und klug genug waren, dass man sie gern beim Theatertreffen gesehen hätte. In diesem Jahr ist Jette Steckels "Don Carlos", den die junge Regisseurin im vergangenen Monat am Thalia-Theater herausbrachte, so eine Aufführung. Warum diese fesselnde Inszenierung, die Schillers Worte leuchten lässt und krampflos ins Heute überträgt, warum diese großartige Schauspielerleistung, allen voran Jens Harzer und Mirco Kreibich, nicht zu den herausragenden Arbeiten deutschsprachiger Theater zählen soll, ist schlicht nicht zu verstehen.

Gut, dass die Jury sich in diesem Jahr wieder darauf konzentriert hat, weniger Ideen und Konzepte auszuwählen, sondern vor allem großes Schauspielertheater - auch wenn dieser Begriff dumm ist, weil Theater schließlich immer von Schauspielern gemacht wird. 32 Einladungen hat das Thalia im Laufe der Geschichte des Theatertreffens bekommen. Eine 33. hätte nun unbedingt dazugehört. 33-mal wurde übrigens das Schauspielhaus ausgewählt. Dass dieses Theater keine Rolle mehr im Theaterleben spielt, ist mehr als traurig - es ist fastschon tragisch.