Dank des Internetgeschäfts knackt der Hamburger Versandhändler Otto die Zwei-Milliarden-Euro-Marke. Es werden 100 neue IT-Experten gesucht.

Hamburg. Dick, mehr als 1000 Seiten stark und kiloschwer: Über Jahrzehnte hat der Otto-Katalog das Bild des Hamburger Versandhändlers geprägt. Otto-Kunden, das waren jene Menschen, die auf dem Sofa durch endlose Fotostecken mit Kleidern, Elektrogeräten und Möbel blätterten und dann zum Telefon griffen, um ihre Bestellung aufzugeben. Doch dieses Bild gehört von Jahr zu Jahr mehr der Vergangenheit an. Heute klickt sich die typische Otto-Kundin am Computer durch das Angebot des Versandhändlers, stellt sich am Bildschirm ein Outfit zusammen oder greift direkt per Smartphone oder Tablet-PC auf das Angebot des Unternehmens zu.

Weit über zwei Drittel des Gesamtumsatzes erwirtschaftet der Otto-Versandhandel mittlerweile im Internet. Um 30 Prozent werden die Online-Erlöse im noch bis Ende Februar laufenden Geschäftsjahr 2010/11 steigen. Insgesamt erwartet die Kerngesellschaft der Otto-Gruppe ein Umsatzplus von gut zwölf Prozent auf rund 2,1 Milliarden Euro, wie der stellvertretende Vorstandsvorsitzende des Gesamtkonzerns, Rainer Hillebrand, gestern prognostizierte.

Eine "irre Leistung" nannte das der Vorstand, denn immerhin hat der Otto-Versandhandel im Netz noch einmal prozentual deutlich stärker zugelegt als die gesamte deutsche E-Commerce-Branche zusammen. Nach Schätzungen des Bundesverbands des deutschen Versandhandels dürfte der Online-Handel insgesamt im vergangenen Jahr um 18 Prozent gewachsen sein. Um die weitere Expansion zu stemmen, sucht Otto derzeit rund 100 zusätzliche IT- und E-Commerce-Experten.

Den Erfolg im Netz führte Hillebrand auf das breite Angebot mit mehr als 2000 zusätzlichen Marken im Onlineshop zurück, aber auch auf hohe Datenschutzstandards. "Wir verarbeiten nur Daten, die uns Kunden bewusst zur Verfügung stellen", so der Vorstand. Auf eine darüber hinausgehende Analyse der Kundenwünsche werde hingegen verzichtet.

Hillebrand geht davon aus, dass sich das Internetgeschäft immer mehr zu einem "Everywhere Commerce" entwickeln wird, in dem die Kunden von allen möglichen Endgeräten wie iPhones, Android-Handys oder iPads auf Einkaufstour gehen. Die Zuwachsraten im Handel über mobile Geräte lägen derzeit bei rund 200 Prozent jährlich, allerdings ausgehend von einem sehr niedrigen Niveau.

Große Bedeutung misst der Otto-Vorstand auch der Präsenz der Marke in sozialen Netzwerken bei. Hier konnte das Unternehmen im vergangenen Jahr erste Erfahrungen sammeln, erlebte dabei allerdings auch einen "Kontrollverlust", wie Hillebrand selbstkritisch einräumte. Für die eigene Facebook-Seite hatte der Versender nach einem neuen Gesicht gesucht und startete daher einen Modelwettbewerb. Doch am Ende setzte sich unter den Usern nicht eine junge Dame durch, sondern ein Student in Frauenkleidern, der lediglich aus Jux ein Faschingsbild von sich eingesandt hatte. Mehrere Wochen lang schmückte der junge Mann die Otto-Seite, was dem Konzern jede Menge Publicity einbrachte und letztlich als Erfolg verbucht wurde.

Probleme bereiten dem Otto-Management derzeit allerdings die steigenden Preise für Baumwolle, Transporte und Löhne in den Lieferländern. Trotz der höheren Kosten werde man die Preise im Hauptkatalog bis August stabil halten, kündigte Einkaufsvorstand Michael Heller an.

Die gestiegenen Rohstoffnotierungen und Arbeitskosten zwingen das Unternehmen aber dazu, Beschaffung und Logistik zu prüfen. Zur Reduzierung von Frachtkosten werde Ware statt mit dem Flugzeug mit Schiffen transportiert, so Heller. "Der Kunde wird aber nicht länger auf seine Bestellung warten müssen." Vielmehr sollen beispielsweise bei Lieferanten in China rechtzeitig größere Mengen bestellt werden. Außerdem werden neue Produzenten in der Türkei und Marokko einbezogen. Dies verringere Wege und Kosten.

Eine Schlappe musste Otto beim ursprünglich geplanten Einstieg in den Online-Handel mit Lebensmitteln hinnehmen. Das Projekt wurde auf unbestimmte Zeit auf Eis gelegt, weil sich die Gewinnerwartungen des Unternehmens nicht erfüllten. "Wir wollten mindestens eine Rendite von zwei Prozent erzielen, das ist aber nicht möglich", sagte Heller. Hintergrund seien der extrem harte Wettbewerb im Lebensmitteleinzelhandel, aber auch die hohen Logistikkosten. So ergab eine Befragung, dass sich Kunden zwar gern schwere Wasserkisten und frisches Obst nach Hause liefern lassen wollten. Sie waren aber nicht bereit, hohe Aufschläge für den Service zu zahlen.