1. Hamburger Abendblatt:

Eine S-Bahn ist gestern in Hamburg auf offener Strecke liegen geblieben. Der Grund war eine vereiste Stromschiene. Hätte die S-Bahn durch bestimmte Vorkehrungen diesen Vorfall verhindern können?

Birger Wolter:

Gegenüber einer blitzartigen Vereisung von Stromschienen und Oberleitungen sind die Eisenbahnbetriebe seit Einführung der elektrischen Zugförderung praktisch machtlos. Nicht nur gestern mussten sogar Straßenbahnbetriebe vor derartigen Witterungsbedingungen kapitulieren.

2. Es ist schon mehrfach bei der S-Bahn durch Winterwetter zu massiven Behinderungen gekommen. Warum passiert das häufiger bei der S-Bahn als bei der U-Bahn?

Wolter:

Ein wesentlicher Schwachpunkt der Hamburger S-Bahn bei Eis und Schnee ist, dass die Stromschiene seitlich vom Stromabnehmer bestrichen wird, was im Wesentlichen dem Eisenbahnregelprofil geschuldet ist. Bei der U-Bahn hingegen wird die Stromschiene mit dem Abnehmer von unten bestrichen. Bei dieser Technik ist die Anfälligkeit gegen Vereisung weitaus geringer.

3. Müsste die S-Bahn mehr in ihr Hamburger Schienennetz investieren?

Wolter:

In den vergangenen Monaten wurden umfangreiche Gleiserneuerungen durchgeführt. Diese haben ganz sicher auch dazu beigetragen, dass die Hamburger S-Bahn in diesem Winter deutlich störungsfreier als die Berliner S-Bahn verkehrt.

4. Die Fahrgäste mussten bei dem Vorfall gestern zwei Stunden in der S-Bahn ausharren. Wäre es möglich und sinnvoll gewesen, die Fahrgäste zu evakuieren?

Wolter:

Da die S-Bahnen aufgrund des stufenlosen Ausstiegs an Hochbahnsteigen über keine Trittstufen verfügen, gestaltet sich die Evakuierung nicht ganz ungefährlich. Deshalb sind das Abschleppen mit einer Diesellok oder das notdürftige Freikratzen der Stromschiene eher geeignet. Auch wenn sich die dafür benötigte Zeit mühelos in die Pechsträhne des Fern- und Regionalverkehrs einreiht.

5. Haben die betroffenen Fahrgäste einen Anspruch auf Entschädigung?

Wolter:

Ein Anspruch besteht aus der neuen Kundengarantie des Hamburger Verkehrsverbundes beziehungsweise aus den Eisenbahn-Fahrgastrechten. Da es sich dabei jedoch nur um geringe Beträge handelt, sollte die S-Bahn Hamburg den betroffenen Fahrgästen mit einem kleinen Dankeschön entgegenkommen. Das könnte ein Schönes-Wochenend-Ticket sein. Damit könnten die Bahnkunden dann Deutschland mit den Nahverkehrszügen am Sonnabend und Sonntag erkunden.