Michael Spreng, 62, ist Kommunikationsexperte.

Hamburger Abendblatt:

1. Axel Weber verlässt die Bundesbank. Hat ihn die Bundesregierung aus dem Amt gemobbt?

Michael Spreng:

Auf jeden Fall hat er wohl das Gefühl gehabt, keine ausreichende Unterstützung bei seiner Kandidatur als Präsident der Europäischen Zentralbank zu bekommen. Ob dies nur sein subjektiver Eindruck war oder dies objektiv stimmte, kann ich nicht beurteilen.

2. Hat das Poker um Macht und Posten in den vergangenen Tagen der Bundesbank geschadet?

Spreng:

Axel Weber hat bei seinem Rücktritt ein völlig falsches Verfahren gewählt und somit ein Kommunikationsdesaster zu verantworten. Er hätte sein Vorhaben nicht im kleinen Kreis in der Bank ankündigen sollen, ohne dies zuvor mit der Bundeskanzlerin und dem Finanzminister abzusprechen. Denn er hätte damit rechnen müssen, dass auch in solchen Kreisen Indiskretionen vorkommen können. Aber die Bundesbank hat sich in der Sache wie im Fall Sarrazin nicht mit Ruhm bekleckert. Nach einem solchen Kommunikationsdesaster um den Abgang des Chefs fragt man sich, was bei dem Institut los ist. Offenbar sind die Bundesbanker nicht in der Lage, ihre Probleme lautlos und vernünftig zu lösen.

3. Ist nun auch Bundeskanzlerin Angela Merkel beschädigt?

Spreng:

Eine wichtige Personalie, die mit der Kanzlerin abgestimmt werden muss, ist zur Unzeit in die Öffentlichkeit geraten. Das ist für Angela Merkel nicht schön, aber bisher kann ich nicht erkennen, dass sie Schuld an der Sache trägt.

4. Sollte die Bundesregierung einen neuen Kandidaten für die Spitze der Europäischen Zentralbank ins Rennen schicken?

Spreng:

Deutschland sollte schon den Anspruch erheben, dort einen obersten Stabilitätswächter zu installieren. Aber das ist nach dem vorangegangenen Kommunikationsdesaster schwer geworden. Jetzt sind andere Kandidaten in der Favoritenrolle, wie der italienische Notenbankpräsident. Die Kanzlerin steht wieder einmal vor einem europapolitischen Scherbenhaufen.

5. Kann Weber jetzt noch zur Deutschen Bank wechseln?

Spreng:

Das muss der Aufsichtsrat der Deutschen Bank beantworten. Aber man kann aus solch einer exponierten Position wie dem Amt als Bundesbankchef nicht nahtlos in eine andere Bank eintreten. Dazwischen müsste eine Karenzzeit liegen, die mindestens ein Jahr oder noch besser zwei Jahre dauern sollte. Schon allein deswegen, weil Weber als Bundesbankpräsident über Insiderwissen nicht nur bei der Deutschen Bank, sondern auch bei allen anderen Banken verfügt.