Eigentümer Thomas Cook schließt betriebsbedingte Kündigungen nicht aus. Verhandlungen über Interessensausgleich begonnen.

Hamburg. Andreas Hartung hat schon geahnt, dass der Verkauf des Hamburger Türkei-Reisespezialisten Öger Tours Arbeitsplätze kosten könnte. Aber dass es so viele sein werden, hat das Betriebsratsmitglied von Öger Tours dann doch schockiert. "Von den 107 Mitarbeitern in der Hamburger Zentrale werden 50 bis 55 wegfallen", fürchtet Hartung. Denn der neue Öger-Eigentümer Thomas Cook, der die Firma im Oktober 2010 übernommen hat, will Öger auf Effizienz trimmen und Bereiche verlagern.

Mit der Übernahme waren im Konzern Abteilungen wie etwa IT, Finanzen, Personal, Ticketausstellung und Kundenbetreuung plötzlich doppelt vorhanden. Genau diese Funktionen will der Tourismusanbieter nun in Hamburg streichen und in die Cook-Unternehmenszentrale nach Oberursel bei Frankfurt verlagern. Betriebsbedingte Kündigungen werden nicht ausgeschlossen. Laut einer Liste, die das Unternehmen dem Betriebsrat und den Mitarbeitern präsentierte, sollen in Hamburg 40 volle Stellen wegfallen. Da in einigen Bereichen auch Teilzeitkräfte arbeiten, kommt der Betriebsrat auf bis zu 55 Menschen, die ihren Arbeitsplatz verlieren könnten.

Gestern Nachmittag verhandelten die Arbeitnehmervertreter mit der Öger-Geschäftsführung über einen Interessensausgleich. "Es geht nicht nur um Abfindungen, sondern vor allem um Qualifizierungsmaßnahmen für die betroffenen Mitarbeiter. Am besten wäre die Gründung einer Auffanggesellschaft", so Hartung. Thomas Cook betont, dass sozialverträgliche Lösungen angestrebt werden sollen. "Altersteilzeit oder die Fluktuation werden so weit wie möglich genutzt", sagte Cook-Sprecher Mathias Brandes.

Abgänge von Beschäftigten hat es in den vergangenen vier Monaten bereits gegeben. Bei der Übernahme durch Thomas Cook im Oktober beschäftigte Öger Tours noch 120 Mitarbeiter. Den geplanten Stellenabbau vorausahnend, wechselten bereits viele Beschäftigte zu anderen Firmen. Ziel von Thomas Cook ist es jetzt, die neue Unternehmensstruktur bis Ende September unter Dach und Fach zu haben. Dann endet das jetzige Geschäftsjahr des nach der TUI europaweit zweitgrößten Touristikanbieters.

Der Hamburger Vural Öger, der sein Reiseunternehmen im Jahr 1969 als Flugdienst für türkische Gastarbeiter in der Hansestadt gegründet hatte, sitzt seit dem Verkauf im Aufsichtsrat von Thomas Cook. "Das ist eine Entscheidung des Unternehmens. Man muss dies akzeptieren", sagte er gestern auf Anfrage des Abendblatts. "Ich werde mich aber dafür einsetzen, dass Öger Tours in der Hansestadt verbleibt", so der frühere SPD-Europaparlamentarier weiter.

Von einer Verlagerung der verbleibenden Aktivitäten nach Oberursel ist auch bei Thomas Cook keine Rede. Laut Brandes bleibt der Öger-Sitz in Hamburg, und auch die jetzige Unternehmenszentrale in der Sportallee nahe des Flughafens werde trotz des kleiner gewordenen Beschäftigtenstamms weiter genutzt. Diese Entscheidung hat für den Tourismuskonzern einen guten Grund. Denn im gleichen Haus sitzt auch Vural Öger mit den drei verbleibenden Beteiligungen, die er nicht an Thomas Cook verkauft hat.

Von Hamburg aus managt Öger seine Fluglinie Türk Tours, die fünf Majesty Hotels an der türkischen Küste und einen Income-Service in der Türkei, der über Veranstaltungen oder Tagungen Gäste in das Land lockt. Insgesamt beschäftigt der Unternehmer 54 Mitarbeiter in der Sportallee.

Vural Öger, 69, wollte sein Firmenimperium eigentlich an seine Tochter Nina, eine Betriebswirtin, übergeben. Doch die 36-Jährige zog es vor, die familieneigenen Hotels in der Türkei zu managen. "Das ist ihre private Entscheidung und die muss ich akzeptieren", sagte Öger nach dem Verkauf an Thomas Cook zum Abendblatt.