Der Hamburger Reeder Peter Krämer fordert eine gemeinsame Aktion der Marinen am Horn von Afrika. Nur so könne man Überfälle verhindern.

Hamburg. Die Chemie-, Gas- und Öltanker des Hamburger Reeders Peter Krämer sind weltweit unterwegs und müssen auch durch das Gebiet am Horn von Afrika, wo die Piraten lauern. An Bord fährt dann Sicherheitspersonal mit, in den Schutzräumen stehen Telefone bereit, um im Notfall rasch Hilfe anfordern zu können. Das Abendblatt sprach mit Krämer über die Möglichkeiten, sich gegen Seeräuber zu wehren und seine Forderungen an die Politik.

Hamburger Abendblatt: Herr Krämer, wenige Tage nach der Entführung der "Beluga Nomination" haben Piraten Ihren Tanker "New York Star" angegriffen. Zum Glück konnte eine niederländische Fregatte die Piraten vertreiben. Wie ist die Stimmung an Bord gewesen?

Peter Krämer: Physisch ist die Besatzung wohlauf, psychisch bleibt natürlich etwas zurück.

Ihre Reederei Chemikalien Seetransport (CST) setzt fast ausschließlich Tanker ein, die langsamer fahren und damit leichter zu entern sind als zum Beispiel Containerfrachter. Welche Taktik gilt bei Ihnen?

Krämer: Wir haben seit knapp einem Jahr bei Fahrten entlang der Küste von Somalia unbewaffnete britische Spezialkräfte an Bord. In diesem Fall haben sie dem kroatischen Kapitän geraten, mit der Besatzung in den Sicherheitsraum zu gehen. Von der Zitadelle aus konnten sie Funkkontakt zur niederländischen Marine sowie zu uns in Hamburg aufnehmen. Dann sind sie 23 Stunden lang, geleitet über Funk und E-Mails, in Richtung der holländischen Fregatte gefahren. Die Piraten haben es nicht geschafft, den Sicherheitsraum zu knacken, und waren schon abgezogen, als die Holländer per Hubschrauber an Bord kamen. Der Einsatz der Niederländer war hervorragend, dafür danke.

War das der erste Überfall auf ein Schiff Ihrer Reederei CST?

Krämer: Nein. Ende November 2009 haben Banditen vor der westafrikanischen Küste die Kasse an Bord eines Tankers ausgeraubt und dabei den Ersten Offizier getötet.

Wie häufig fahren Ihre Tanker heute an Somalia vorbei?

Krämer: Häufig, weil die Hauptrouten für den Transport von Rohöl und Ölprodukten durch den Suezkanal führen. Wir sind dort mindestens einmal pro Monat unterwegs.

Wie werden die Crews auf die Reisen vorbereitet?

Krämer: Sicherheitsräume haben wir inzwischen in der gesamten Flotte. Wir achten darauf, sie so gut wie möglich abzuschotten, sodass Piraten nicht eindringen können. Dazu wurden mehrere Hunderttausend Euro für die Installation der Telefone investiert, damit die Besatzungen für ihre Rettung Kontakt nach außen halten können.

Ihr Wachpersonal an Bord ist unbewaffnet, warum?

Krämer: Weil das Risiko für Crew und Schiff sonst unberechenbar würde. Piraten schießen, wenn sie sich einem Schiff nähern, zunächst einmal in die Luft. Wenn aber von Bord aus zurückgeschossen wird, nehmen sie das Schiff ins Visier. Was dann passieren kann, wenn wie bei der "New York Star" 55 000 Tonnen Rohbenzin an Bord sind, kann sich jeder ausmalen. Explodiert das Schiff, bleibt nichts übrig.

Hätten die Piraten nicht vor Polizei- oder Marineangehörigen an Bord mehr Respekt als vor zivilen Sicherheitskräften?

Krämer: Das kann ich mir nicht vorstellen. Piraterie ist inzwischen eine Industrie mit angestellten Söldnern. Es gibt Preise für entführte Seeleute, die bei einer Million Dollar pro Kopf liegen können. Dagegen hilft nur eine konzertierte Aktion aller Marinen, die den Schifffahrtsweg um das Horn von Afrika zu einer geschützten Zone machen müssten. Die Marinen sind die einzigen, die das können. Möglicherweise müsste dafür ein Hubschrauber- oder Flugzeugträger in dem Gebiet kreuzen.

Die Hilfe für Handelsschiffe wird oft auch damit verbunden, dass die Reederei die eigene Landesflagge hisst. CST fährt ausschließlich unter Liberia-Flagge. Trifft Sie der Vorwurf, Hilfe von der Deutschen Marine oder Kriegsschiffen von Industriestaaten in Anspruch zu nehmen, aber unter der Flagge eines Schwellenlandes zu fahren?

Krämer: Zunächst einmal fahren wir vor allem deshalb nicht unter deutscher Flagge, weil wir gar nicht genug Personal bekommen, das auf Tankern eingesetzt werden könnte. Aber die Hilfe an eine bestimmte Flagge zu binden, geht ohnehin in die falsche Richtung.

Warum?

Krämer: Weil es darum geht, dass der weltweite Seehandel nicht unterbrochen wird. Heute werden mehr als 90 Prozent aller Handelsgüter auf Schiffen transportiert. Sind ihre Routen nicht mehr sicher, bricht der Welthandel zusammen. Da muss es im Interesse von allen Staaten sein, eine solche Entwicklung zu verhindern.

Ist es absehbar, dass sich das Piraten-Problem lösen wird, oder wird sich die Seefahrt auf Jahre hinaus darauf einstellen müssen?

Krämer: Das Gebiet vor der Küste Somalias ist durch den Einsatz der Marinekräfte inzwischen sicherer geworden. Wichtig wäre, die politischen Verhältnisse in dem Land zu stabilisieren. Ich bin aber sehr skeptisch, ob dies rasch geschehen kann.