Dietmar Herz ist Autor (“Amerika verstehen“), Professor in Erfurt und Staatssekretär im thüringischen Justizministerium.

Hamburger Abendblatt:

1. Der frühere US-Präsident Ronald Reagan wäre an diesem Sonntag 100 Jahre alt geworden. Welches politische Erbe hat er hinterlassen?

Dietmar Herz:

Das Erbe ist ambivalent: Reagan ist eine Ikone für die Republikaner, für Sarah Palin, für die Tea-Party-Bewegung. Die Konservativen berufen sich alle auf ihn. In der Vorstellung der Amerikaner war er derjenige, der den Kalten Krieg beendet hat. Das ist allerdings so nicht richtig. Nach einer Phase der Hochrüstung hat er in seiner zweiten Amtszeit erkannt, dass er auf Michail Gorbatschow zugehen muss.

2. 1987 stand Ronald Reagan an der Berliner Mauer und sagte: Mr. Gorbatschow, reißen Sie diese Mauer ein. War das nur inszeniert?

Herz:

Im Außenministerium war man nicht glücklich mit der Formulierung. Der Satz kam von seinen Beratern im Weißen Haus, die die alte Rhetorik des Antikommunismus beschwören wollten. Aber Reagan hat eingesehen, dass da in Gorbatschow ein Parteichef ist, der etwas anders macht - und den er mit diesem Satz herausfordern kann.

3. Was bedeutete in den Achtzigern die sogenannte Reagan-Revolution in den USA?

Herz:

Er war derjenige Präsident, der den New Deal Roosevelts aus den 30er-Jahren zurücknahm. Reagan sagte: Die Regierung ist nicht die Lösung, sondern das Problem. Das wirkt bis heute nach. Barack Obama will das rückgängig machen, indem er beispielsweise eine Gesundheitsreform mit einer Krankenversicherung für deutlich mehr Amerikaner einführt. Reagan hat sich so dargestellt, als stehe er über den Parteien.

4. Welche besondere Beziehung hatte Reagan zu Helmut Kohl und zu Deutschland?

Herz:

Schon zu Helmut Schmidt hatte Reagan einen guten Draht, auch zu Helmut Kohl. Sie waren für ihn verlässliche Partner - auch als Kohl Reagan bat, mit ihm auf einem Friedhof in Bitburg eine Gedenkfeier für Gefallene des Zweiten Weltkriegs abzuhalten. Darunter waren auch Angehörige der Waffen-SS. Da hat sich Reagan übertölpelt gefühlt, aber er stand zu Kohl.

5. Sein Image ritt ihm sozusagen voraus: der erste Hollywoodschauspieler und Cowboy, der US-Präsident wurde. Stimmt dieses Bild?

Herz:

Als Reagan ins Weiße Haus kam, war er bereits Gouverneur von Kalifornien gewesen. Nur in Europa war er unbekannt. In den USA galt er zwar als Schauspieler in B-Movies. Aber er dachte in einfachen Mustern, sprach eine klare Sprache. Und in den USA ist es ein Vorteil, als einfacher Mann porträtiert zu werden. Reagan war kein Intellektueller, aber er hatte einen gesunden Menschenverstand. Die Amerikaner haben sich in ihm wiedererkannt.