Die SPD kritisiert die Dauer der Disziplinarverfahren gegen städtische Mitarbeiter, die trotz Suspendierung weiter ihr Gehalt beziehen.

Hamburg. In den vergangenen drei Jahren verdiente er mehr als 275.000 Euro. Der ehemalige Hamburger Sozialgerichtspräsident Michael R. hat in dieser Zeit allerdings kein Recht gesprochen. Weil er kinderpornografische Dateien auf dem Rechner seiner Lebensgefährtin gesammelt haben soll, ist er vom Dienst suspendiert worden. Seitdem bezieht er weiter ein monatliches Gehalt von rund 7000 Euro. Der 57-Jährige ist damit einer von derzeit 20 Beamten und Angestellten der Stadt, die vom Dienst freigestellt sind, aber dennoch weiterbezahlt werden.

Diese Zahl geht aus einer Senatsantwort auf eine Anfrage des SPD-Bürgerschaftsabgeordneten Thomas Böwer hervor. Die Verstöße der städtischen Mitarbeiter decken nahezu das ganze Spektrum ab. So wird einem eine "arbeitsvertragliche Pflichtverletzung" vorgeworfen, einem anderen ein "innerdienstliches Dienstvergehen". Gegen einen Beamten wird wegen Kassenbetrugs und Unterschlagung von Geldern der Zahlstelle ermittelt.

Auch Handfestes ist zu finden. Etwa eine "Gewaltandrohung gegen Vorgesetzte" oder ein Disziplinarverfahren wegen "rechtsextremistischer und beleidigender Äußerungen". Ein Beamter soll mehrfach mit falschen Rezepten Betrugsversuche gestartet haben. Und gegen einen Justizvollzugsbeamten ermitteln Beamte des Dezernats Interne Ermittlungen wegen des Verdachts einer "Freiheitsberaubung sowie Verdachts auf Missbrauch von Dienstkleidung und -ausweis".

Lediglich drei Suspendierte müssen Einbußen beim Gehalt hinnehmen. Bei einem Beamten sind es zehn, bei zwei weiteren sind es 20 Prozent. Die übrigen Beamten und Angestellten beziehen weiter ihr volles Gehalt. Ein Disziplinarverfahren ist seit nahezu acht Jahren offen. Seitdem erhält der Beamte sein volles Gehalt.

Eine teure Angelegenheit für den Steuerzahler. Nach Berechnungen von SPD-Mann Thomas Böwer haben die suspendierten Beamten und Angestellten seit dem Jahr 2006 insgesamt rund zwei Millionen Euro ausgezahlt bekommen. "Die Tatsache, dass einige Disziplinarverfahren Jahre dauern, ist für den Steuerzahler und die Politik erschreckend", so der SPD-Politiker. Ihm könne niemand erzählen, dass die Prüfungen nicht auch zügiger möglich seien. "Bei aller Rücksicht auf notwendige Sorgfalt", sagte Böwer dem Abendblatt.

Aus der Senatsantwort auf seine Frage geht auch hervor, dass Hamburg in den vergangenen fünf Jahren 214 Disziplinarverfahren gegen Angestellte und Beamte eingeleitet hat. In vier Fällen mussten die Betroffenen Kürzungen ihrer Dienstbezüge in Kauf nehmen. 14-mal wurden Geldbußen verhängt, davon zweimal gegen Mitarbeiter der Polizei. Ein Mitarbeiter der Justizbehörde wurde aus dem Beamtenverhältnis entfernt. Dessen Verfehlung wurde in der Senatsantwort allerdings nicht genauer ausgeführt. Das Verfahren ist im Dezember vergangenen Jahres abgeschlossen worden. Es hat fast zwei Jahre gedauert.

Gut acht Jahre hat das Disziplinarverfahren gegen einen 63 Jahre alten Lehrer gedauert, der wegen Besitzes kinderpornografischer Bilder verurteilt worden war. Wie berichtet, waren ihm die Ermittler in einer international angelegten Fahndung auf die Spur gekommen. 2004 wurde er zu einer Geldstrafe verurteilt und in die Behörde versetzt.

Die Stadt Hamburg versuchte ihn anschließend mit einer Klage vor dem Verwaltungsgericht aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen. Sie war zunächst erfolgreich. Ein entsprechendes Urteil wurde sogar vom Oberverwaltungsgericht bestätigt. Doch der Pädagoge klagte vor der nächsthöheren Instanz und bekam recht. Der 63-Jährige bleibt Beamter und muss nun lediglich drei Jahre auf 20 Prozent seines Gehalts verzichten.

Richter Michael R. bekommt dagegen sein volles Gehalt weiter ausgezahlt. Noch immer prüft die Justizbehörde in einem Disziplinarverfahren, ob er den Ruf des von ihm geleiteten Sozialgerichts beschädigt hat. Dann wäre eine Entlassung aus dem Beamtenverhältnis möglich. Wann das Verfahren abgeschlossen sein wird, ist bislang nicht absehbar. In der Zwischenzeit kassiert der 57-jährige Jurist weiter - ohne zu arbeiten.