Eine Glosse von Jan-Eric Lindner

Es ist ja nicht so, dass in Hagenbecks Tierpark keine interessanten Tiere lebten: Von Aal bis Zebra bietet der Großzoo im Herzen der Metropole gewiss vorzügliche Unterhaltung für Freunde von Feder-, Fell- und Schuppenvieh. Wie kommt es dann, dass trotzdem immer weniger Exemplare der Gattung Homo sapiens den Rundweg durch die Stellinger Gehege beschreiten? Alles sieht danach aus, als fehle Hagenbeck der Heidi-Faktor.

Nunmehr siebeneinhalb Jahre nach dem Tod der Walross-Oma Antje muss, so scheint es, dringend ein neues, möglichst exklusives Maskottchen her. Und zwar am besten eines, das, wie es in der Marketingsprache heißt, Alleinstellungsmerkmale aufweist - also zum Beispiel schielt, debil dauergrinst oder so bekloppt aus der Wäsche dreinschaut, als habe es 24 Stunden ununterbrochen RTL 2 gesehen. Natürlich muss es obendrein noch so süüüüüüüß sein, dass am besten Kinder aus ganz Nordeuropa ihre Eltern mit sanftem Quengeldruck nach Hagenbeck zwingen. Heidi, das Opossum aus Leipzig, ist ein Paradebeispiel. Die sehbehinderte Beutelratte hat - obgleich noch nicht mal öffentlich ausgestellt - schon mehr Facebook-Freunde als der ihr vom Gesichtsausdruck nicht unähnliche Schauspieler Dirk Bach. Sie plant bereits den Sprung nach Hollywood. Der Zoo Berlin soll sich, Knut sei Dank, schon im Jahr 2006 so nachhaltig saniert haben, dass selbst die dortigen Teichenten ihre Brotkrümel ablehnen, wenn sie nicht vor dem Servieren in heißer Butter geschwenkt wurden.

Sollte Hagenbeck es also ernst meinen mit der Besucher-Offensive, dann dürfen wir uns schon jetzt auf einen dreibeinigen Pelikan, eine neunschwänzige Großkatze oder einen Grizzly mit Stirnglatze freuen. Vielleicht wird es aber auch wieder ein Walross. Man könnte ihm ja eine Gleitsichtbrille aufsetzen.