Holger Dierks Rettung ist die Tinnitus-Klinik Dr. Hesse in Bad Arolsen bei Kassel gewesen. Inzwischen hat er sich mit den Tönen arrangiert.

Es geschah ausgerechnet an seinem Geburtstag, im Januar vor drei Jahren. Kaffee und Kuchen, Holger Dierks sitzt mit seiner Frau und seinen vier Kindern am Tisch, da packt ihn ein starker Schwindel. "Ich bin regelrecht vom Stuhl gekippt", erzählt der 58-Jährige. Es ist ein Hörsturz. Der HNO-Arzt diagnostiziert außerdem Morbus Menière, eine Erkrankung des Innenohres, die Schwindel verursacht. "Ich habe dann in kurzer Zeit auf dem linken Ohr 60 Prozent meines Hörvermögens verloren", sagt Dierks. "Dann kam auf diesem Ohr auch noch der Tinnitus dazu."

Bis dahin hatte er als stellvertretender Direktor am Gymnasium in Quickborn gearbeitet; er unterrichtete Geschichte, Sozialwissenschaft und Sport. Und er liebte seine Arbeit. "Freitagnachmittags gab ich immer eine Handball-AG", erzählt Dierks, "da tobten bis zu 70 Kinder herum. Hinterher war ich total erledigt, aber es machte mir Spaß." Er sei ein Getriebener gewesen.

Nach der Diagnose arbeitete er noch ein halbes Jahr mit reduzierter Stundenzahl, aber es fiel ihm sehr schwer. Sein Gehör war so empfindlich, dass er manchmal in der Klasse das Gefühl hatte, ihm platze der Kopf. Doch er machte weiter - bis sein Arzt sagte: "Wenn Sie nicht aufhören, sind Sie bald tot. Der Tinnitus, die Angst, die Panik - das führt zu einem Stress, den sie nicht mehr lange aushalten werden." Holger Dierks weinte.

Er wird vielleicht nie mehr als Lehrer arbeiten können - und doch hat er wieder Freude am Leben gewonnen. Seine Rettung sei die Tinnitus-Klinik Dr. Hesse in Bad Arolsen bei Kassel gewesen, sagt Dierks. Doch bis er dorthin konnte, vergingen eineinhalb Jahre. Denn seine Krankenkasse teilte ihm mit, dass alle anerkannten Tinnitus-Behandlungen in Hamburg möglich seien.

Es folgte eine Odyssee durch Hamburger Arztpraxen. "Ich war beim Orthopäden, beim Neurologen, durchlief sogar eine Computertomografie, ich bekam durchblutungsfördernde Mittel und Cortison. Aber nichts half", erzählt Dierks. "Dann schickte mich die Kasse zu einem Psychologen. Zuerst war ich sehr skeptisch; heute meine ich, dass Psychologen die Einzigen sind, die bei Tinnitus helfen können." Erst nach dieser Therapie genehmigte ihm seine Kasse die Behandlung in Bad Arolsen.

Er blieb acht Wochen. "Mir wurde bewusst, dass ich verlernt hatte, meinen Körper wahrzunehmen. Der Schwindel und der Tinnitus, das sind sehr negative Erfahrungen, man denkt: Warum tut mir der Körper das an? In Bad Arolsen machte ich nur positive Erfahrungen. Beim Nordic Walking etwa merkte ich plötzlich nichts mehr vom Tinnitus." An einem Tag sei seine Gruppe mit Dezibelmessgeräten losgeschickt worden und er habe festgestellt: "Jedes Vogelpiepsen ist lauter als mein Tinnitus. Das hat einiges relativiert."

Sehr wirksam sei aber auch sein Hörgerät. "Es verstärkt die Frequenzen, auf denen ich schlecht höre, deshalb muss das Gehirn nicht mehr so viel kompensieren." Ja, die Geräusche seien immer noch da, aber nicht so laut wie die Dinge, die er schön finde. "Der Tinnitus", sagt Dierks, "macht mir keine Angst mehr."