Ein Aufseufzen von Elisabeth Jessen

Er ist wieder da. Grasgrün und schön wie der Frühling - mein Bürobecher. Heute Morgen ist er wieder aufgetaucht - in der Hand eines Kollegen. Dem fiel der Kaffee fast aus der Hand, als ich den Becher mit einem lauten "Das ist meiner" für mich reklamierte, und er guckte sehr irritiert. Ehrlich gesagt weiß ich nicht mehr, wie das früher in der Sandkiste war, vielleicht wollte ich mein Sandspielzeug auch nicht teilen. Bei meinem Bürobecher jedenfalls bin ich unerbittlich. Da hört der Spaß auf. Und das mit gutem Grund.

Morgens stehen bei uns im Großraumbüro auf einem Tablett stets die abenteuerlichsten Modelle. Katzenmotive sind überaus verbreitet, noch viel übler sind die Becher mit den abstrusesten Werbebotschaften. Geschirr, das zu Hause sofort in der Flohmarktkiste landen würde. Im Büro kann man nicht wählerisch sein, Hauptsache schnell. Denn wenn alle eingetrudelt sind, sind die Becher schnell im Umlauf. Wer auf Five o'Clock Tea spekuliert, für den ist alles zu spät. Irgendwann wurde mir der Wettlauf zu anstrengend. Ich habe mir das frühlingsgrüne Modell zugelegt. Allerdings sollte man so schöne Dinge nie auf dem Schreibtisch stehen lassen, denn eines Morgens war er weg - obwohl dort sonst nie jemand sauber macht.

Der Becher war in den Weiten der Redaktion unauffindbar. In solchen Fällen gibt es Leute, die versenden Suchmails über den großen Verteiler. Andere hängen zur Abschreckung Warnschilder in die Teeküche, die Strafen knapp jenseits der Folter androhen, sollte man einen bestimmten Becher benutzen. Soweit wollte ich nicht gehen. Nur bis ins Nachbarressort, weil ich gehört hatte, es gebe dort zwei Schränke voll mit Beutebechern. Sie waren tatsächlich bestens bestückt, nur grün leuchtete da nichts.

Aber jetzt ist er ja wieder da. Ich werde ihn heute Abend in meinem Büroschrank einschließen. Neben meinen Becher mit Papst Benedikt, auf dem dieser so gütig winkt. Aber den benutze ich wirklich nur im absoluten Notfall.