Eine Glosse von Nico Binde

Wenn man dem Bildungskanon Glauben schenken darf, ist es inzwischen gesellschaftlich akzeptiert, das "Dschungelcamp" zu verfolgen. Während man sich früher mit den Worten "Öhm, also, ich bin da beim Zappen hängen geblieben" vom Verdacht reinwusch, dem Unterschichtenfernsehen anzuhängen - in Wahrheit aber jede Folge des Folterformats für Menschen, die angeblich mal berühmt waren, schaute -, kann man heute sagen: Mich interessieren die dort gezeichneten Sozialskizzen. Ich bin Fan.

Und es ist davon auszugehen, dass auch zahlreiche Insassen der Haftanstalt Fuhlsbüttel Fans sind. Die Parallelen mit den Geknechteten im australischen Outback sind schließlich offensichtlich. Hamburgs Bösewichte müssen zwar nicht mit einem profilneurotischen Weinerle, das früher versehentlich für eine Topmodel-Anwärterin gehalten wurde, pürierte Rattenschwänze hinunterwürgen. Und 50 000 Euro bekommen sie nach Haftentlassung auch nicht. Aber auch in "Santa Fu" hört man gelegentlich den Satz: Ich will hier raus.

In Anlehnung an den Befreiungsschrei der quotenträchtigen TV-Sendung druckten die Hamburger diese Parole nun auf ein T-Shirt und "Grüßen damit alle Gefangenen des Dschungelcamps. Egal, ob sie ihre Strafe im Urwald absitzen müssen - oder vor dem Bildschirm". Damit beweisen die Delinquenten nicht nur, dass gesiebte Luft in "kreativen Zellen" das Hirn vital hält, sondern auch, dass sie einer sinnvollen Beschäftigung nachgehen. Denn die Knackis vertreiben seit 2006 selbst gemachte Kleidung als "heiße Ware aus dem Knast". Ein Teil des Erlöses kommt dem "Weißen Ring" zu, was die Kriminellen als Teil ihrer "persönlichen Wiedergutmachung" verstehen.

Das mag man makaber finden. Aber welche sinnvolle Tat vollbringen noch gleich die Fernsehsklaven?