Senat will nach Überfällen härter gegen Jungkriminelle vorgehen. SPD sieht Wahltaktik

Hamburg. Der Hamburger Senat hat gut sechs Monate nach einer Reihe von aufsehenerregenden Gewaltstraftaten junger Menschen auf Straßen und in Bahnhöfen ein Maßnahmenpaket vorgelegt. Im Blickpunkt stehen junge Erwachsene im Alter von 18 bis 30 Jahren, die für die Hälfte aller schweren Gewaltstraftaten im öffentlichen Raum verantwortlich sind. Innensenator Heino Vahldieck (CDU) begründete die späte Vorlage des Konzepts, die eigentlich schon im August 2010 erfolgen sollte, mit der Senatsneubildung nach dem Rücktritt Ole von Beusts und dem Bruch des schwarz-grünen Bündnisses.

Ab sofort soll es nach dem Willen des Senats möglich sein, dass Gewaltstraftäter ihren Führerschein verlieren. Nach Raub, schwerer Körperverletzung oder Vergewaltigung kann die Polizei für solche Täter eine medizinisch-psychologische Untersuchung anordnen. Geklärt werden soll die Frage, ob der Täter aufgrund seines Aggressionspotenzials für andere Verkehrsteilnehmer eine Gefahr darstellt und deswegen nicht mehr Auto fahren darf.

"Bei dieser Tätergruppe haben Auto und Führerschein einen hohen Stellenwert. Deswegen wollen wir hier ansetzen", sagte Vahldieck. "Diese Maßnahme gilt unverzüglich. Es bedarf dazu keiner Gesetzesänderung."

Außerdem will der Senat die Strafverfolgung beschleunigen. Dazu soll das Programm "Protäkt", das bislang auf minderjährige Intensivtäter ausgerichtet ist, auch junge Erwachsene erfassen. Nach Schätzungen der Polizei ist die Hälfte aller rund 700 gewaltbereiten Intensivtäter in Hamburg älter als 21 Jahre. Die 150 gefährlichsten unter ihnen sollen künftig im Rahmen von "Protäkt" schneller angeklagt werden können. Dem Senat fehlt allerdings die Mehrheit in der Bürgerschaft, um das nötige Sonderdezernat der Staatsanwaltschaft durchzusetzen.

Nach Vorbild des "Neuköllner Modells" der verstorbenen Berliner Richterin Kirsten Heisig sollen zudem jugendliche Täter in geeigneten Fällen binnen eines Monats ihrem Richter vorgeführt und verurteilt werden. "Dieses Verfahren eignet sich besonders bei Diebstahl oder Körperverletzungen in der Schule", sagte Vahldieck.

Der SPD-Innenpolitiker Andreas Dressel hält diesen Vorstoß für wenig glaubwürdig, weil der Anteil der beschleunigten Jugendstrafverfahren seit 2002 von 20 Prozent auf nur noch acht Prozent gesunken sei. "Vier Wochen vor der Bürgerschaftswahl entdeckt der Senat offenbar die Beschleunigungsmöglichkeiten, die das Gesetz schon seit Jahren bietet", kritisierte Dressel.

Der CDU-Senat will außerdem mit einer Reihe von Bundesratsinitiativen das Strafrecht verschärfen. So soll es künftig Gewalttätern grundsätzlich untersagt sein, auch legale Waffen wie etwa Dolche zu besitzen. Die maximale Jugendstrafe soll von zehn auf 15 Jahre heraufgesetzt, ein Heranwachsender nur im Ausnahmefall nach dem Jugendstrafrecht verurteilt werden. Außerdem will die CDU den Untersuchungshaftgrund Wiederholungsgefahr erweitern und einen "Warnschussarrest" neben der Bewährungsstrafe einführen. Das Konzept ergänzen präventive Maßnahmen wie die dauerhafte Überwachung des Berufsschulbesuchs.

Dressel wirft dem Senat vor, dass die Gewaltkriminalität in Hamburg wieder das Niveau des Jahres 2001 erreicht hat. "Es ist wenig glaubwürdig, wenn der Senat kurz vor Toresschluss mit altbekannten Bundesratsinitiativen und dem Versprechen kommt, geltende Gesetze endlich anzuwenden."