Prof. Dr. Josef Konrad Rogosch, 55, ist Department-Leiter an der Hamburger Hochschule für Angewandte Wissenschaften.

1. Hamburger Abendblatt:

Die Bezirksämter kommen mit der Bearbeitung der Fälle nicht mehr hinterher. Ist das Jammern auf hohem Niveau oder ist die Kritik nachvollziehbar?

Konrad Josef Rogosch:

Die Kritik ist nachvollziehbar, allerdings sind die Engpässe im Bürgerservice auch eine Folge der Verwaltungsreform von 2006, das Problem wird durch die Sparvorgaben des Senats noch zusätzlich verschärft. Die Fachbehörden haben zunehmend Aufgaben - zum Beispiel die Ausstellung der Kita-Gutscheine - auf die Bezirksämter abgewälzt, personell wurde jedoch kaum aufgestockt. Dass alle sieben Bezirksamtsleiter, unabhängig von ihrer politischen Couleur, die aktuelle Misere kritisieren, zeigt augenscheinlich, dass es sich tatsächlich um ein Sachproblem handelt und nicht um politisch motivierte Stimmungsmache.

2. Bleiben in der freien Wirtschaft Stellen unbesetzt, müssen die Beschäftigten mit mehr Arbeit in weniger Zeit zurechtkommen. Warum hat die Verwaltung solche Probleme?

Rogosch:

Die Bewältigung der staatlichen Kernaufgaben bedeutet häufig einen immensen Verwaltungsaufwand - denken Sie allein an die stark gestiegene Zahl der Vormundschaftsverfahren, ein kaum zu bewältigender bürokratischer Aufwand. Hinzu kommt, dass die gesetzlichen Vorgaben wenig Spielraum lassen, die Bürger aber wiederum recht widerspruchs- und klagefreudig sind.

3. Wie lässt sich Bürgerfreundlichkeit in den Ämtern erhalten?

Rogosch:

Es muss umgeschichtet werden, also mehr Personal aus den Fachbehörden abgezogen und in die Bezirksämter integriert werden. Wir erleben doch schon jetzt, dass die Ämter etwa mit dem neuen Personalausweis teilweise überfordert sind.

4. Würde denn eine weitere Modernisierung der Verwaltung auf Dauer mehr Spielraum schaffen?

Rogosch:

Der Einsatz von digitalen Kommunikationstechniken in der Verwaltung würde zu einer Beschleunigung der Abläufe und Prozesse in den Behörden und Ämtern führen. Wer etwa eine Genehmigung für ein umweltrelevantes Vorhaben beantragt, müsste sich im Idealfall nur noch an eine Behörde wenden, die den Fall unter Einbeziehung der Bezirksämter intern kommuniziert.

5. Der Eimsbütteler Bezirkschef Torsten Sevecke schlägt vor, einige freiwillige Leistungen aufzugeben. Macht das Sinn?

Rogosch:

Da bin ich mir nicht sicher. Wenn beispielsweise die Impfsprechstunde ausgelagert würde, bliebe der staatliche Gedanke der Erhaltung der Volksgesundheit als freiwillige Leistung auf der Strecke. Und: Auslagern bedeutet sehr häufig für die Betroffenen, dass zusätzliche Kosten anfallen würden.