Es sieht ganz so aus, als sei Jean-Claude Trichet auch in seinem letzten Jahr an der Spitze der Europäischen Zentralbank (EZB) keine ruhigere Phase vergönnt. Kaum hat er in der Bankenkrise und der unmittelbar nachfolgenden Schuldenkrise durch entschlossenes Handeln das Schlimmste abgewendet, zeichnet sich nun schon die nächste Herausforderung ab: Die zuletzt freigiebig verteilte Liquidität droht im Zusammenhang mit der unerwartet raschen Wirtschaftserholung die Inflationsrate alarmierend hochzutreiben.

Zwar liegt der Leitzins bei nur einem Prozent, was reichlich Spielraum für die Bekämpfung eines gefährlichen Preisauftriebs lässt. Aber so leicht hat es Trichet leider nicht: Eine Zinserhöhung könnte die durch drastische Sparprogramme geschwächte Wirtschaft in Euro-Ländern wie Griechenland, Portugal, Irland sowie Spanien vollends abwürgen.

So steht der EZB-Präsident vor der undankbaren Aufgabe, zwischen den gegensätzlichen Interessen der Schuldensünder und der Konjunkturlokomotive Deutschland abwägen zu müssen. Es wird ihm nichts anderes übrig bleiben, als Inflationsraten deutlich oberhalb der angepeilten Marke von zwei Prozent zuzulassen. Dass auch Deutschland in den vergangenen 40 Jahren schon mehrfach Verbraucherpreisanstiege in der Nähe von fünf Prozent erlebte, dürfte für die Bundesbürger nur ein schwacher Trost sein.

Langfristig könnte nur die Einsicht der europäischen Regierungen die EZB aus ihrem Dilemma befreien: Die wirtschaftlich schwachen Länder müssen den Gürtel enger schnallen, um näher zu den Erfolgreichen aufzuschließen. Ob das gelingt?