Die Verlegung der Wilhelmsburger Reichsstraße soll doppelt so teuer werden wie zunächst angegeben. Jetzt wollen Anwohner klagen.

Wilhelmsburg. Schon wieder wird ein öffentliches Hamburger Bauprojekt erheblich teurer als ursprünglich kalkuliert: Die Verlegung der Wilhelmsburger Reichsstraße kostet nach neuesten Zahlen nicht mehr 67,4 Millionen Euro - vielmehr verdoppeln sich die Investitionen auf nun 136,3 Millionen Euro. Trotz der bevorstehenden Bürgerschafts-Neuwahlen akzeptierten jetzt CDU und GAL im Haushaltsausschuss die neue Kalkulation. Noch vor dem Wahltermin am 20. Februar könnte die Bürgerschaft ebenfalls zustimmen und so den Weg für ein offizielles Planfeststellungsverfahren frei machen.

Von der Linken und der SPD gab es daher heftige Kritik: "Das ist ein einmaliger Vorgang, die Verdoppelung von Kosten mal eben als Ergänzung in eine Parlamentsdrucksache einzufügen", sagt Joachim Bischoff, Stadtentwicklungsexperte der Hamburger Linken. Vor dem Hintergrund der Kostenexplosionen bei Elbphilharmonie oder der HafenCity-U-Bahn sei nun Misstrauen angebracht, ob die neu ermittelten Baupreise für die neue Wilhelmsburger Straße auch in Zukunft zu halten seien und nicht noch weitere Kostensteigerungen lauerten, so Bischoff.

Während die Linke ihre Zustimmung im Ausschuss verweigerte, enthielt sich dort die SPD der Stimme. Der Wilhelmsburger SPD-Bürgerschaftsabgeordnete Metin Hakverdi hält die Verlegung zwar für "grundsätzlich gut". Doch wesentliche Voraussetzungen - etwa zum Lärmschutz oder der Verkehrsführung - würden auch mit der neuen Planung noch nicht erfüllt. "Wir wollten den Beschluss daher zurückstellen, verstehen die Eile nicht, mit der das jetzt noch durchgepeitscht werden soll", kritisiert Hakverdi.

Die CDU-Politikerin und Mitglied des Haushaltsausschusses Barbara Ahrons begründete den Beschluss indes mit der gebotenen Eile, um die Verlegung zeitnah realisieren zu können. Die zusätzlichen Kosten seien durch zusätzlichen Lärmschutz bedingt, die der Bund dort leisten wolle. Kosten, die auch von der Bundesregierung getragen würden. Für Hamburg erhöhen sich aber die anteiligen Planungskosten von 9,6 Millionen auf nun 19,6 Millionen Euro. "Wenn wir jetzt nicht zustimmen, könnte der Bund seine Finanzzusage wieder zurückziehen", so Ahrons. Im Übrigen sei doch zu begrüßen, dass der Bund deutlich mehr in Lärmschutz-Maßnahmen investieren wolle. Tatsächlich ist der künftige Lärmschutz der knifflige Punkt in der Planung. Die bereits 2009 vorgestellten Pläne sehen vor, die Wilhelmsburger Reichsstraße, eine Bundesstraße, nach Osten in die unmittelbare Nähe der Bahntrasse zu verlegen. Ursprünglich hieß es dazu einmal, die Verlegung sei in etwa genauso teuer wie die notwendige Sanierung der Straße. Eine Argumentation, die offenbar nicht mehr gilt.

Mit der Verlegung soll in der Mitte Wilhelmsburgs Platz für eine neue städtebauliche Entwicklung geschaffen werden - weshalb das Projekt von den Machern der dort für 2013 geplanten Internationalen Bauausstellung (IBA) begrüßt wird. Die Straße rückt dafür allerdings an die bereits vorhandene Bebauung näher heran. Zwar argumentieren Planer, mit den Lärmschutzwänden würde sich die Gesamtbelastung aus Bahn und Straße reduzieren - doch vor Ort wird das so nicht geglaubt. Es gebe dann ein Grundrauschen, sagt Jochen Klein von der Wilhelmsburger Klagegemeinschaft, die die Straßenpläne verhindern will. Klein: "Außerdem ist Lärm nicht alles, was ist denn mit dem Feinstaub, der nun näher an unsere Häuser gelangt?" Zudem seien die Mehrkosten nach Informationen der Klagegemeinschaft nicht allein auf zusätzlichen Lärmschutz zurückzuführen. Klein: "Die haben nun gemerkt, dass sie nicht nur ein Bahngleis umbauen müssen, sondern gleich vier." Fraglich sei daher, welche zusätzlichen Kosten noch auf die Stadt zukämen.

Nach dem bisherigen Zeitplan soll in diesem Jahr die Detailplanung ausgearbeitet werden. 2012, so die Hoffnung der Planer, könnte dann mit dem Bau von Teilabschnitten begonnen werden. Zur den beiden für 2013 geplanten Ausstellungen in Wilhelmsburg, Gartenschau (IGS) und IBA, soll dann die neue Straße weitgehend fertig sein. Was in Wilhelmsburg aber auch bezweifelt wird. Dafür gebe es hier zu viele Widerstände, sagt der Wilhelmsburg-Aktivist Manuel Humburg: "Außerdem können wir das Argument nicht verstehen, der Bund und nicht Hamburg würde die meisten Mehrkosten tragen: für den Steuerzahler ist das doch völlig egal."