“Billstedt rutscht in die Kriminalität.“ Stadtteil müsse unverhältnismäßig viele Flüchtlinge, Aussiedler und Wohnungslose aufnehmen.

Billstedt. Die Stadtteile Billstedt und Billbrook könnten immer tiefer in die Kriminalität abrutschen, wenn die Zahl der Zuwanderer und Wohnungslosen dort aufgestockt wird. Das befürchtet der CDU-Bürgerschaftsabgeordnete David Erkalp. Anlass der erneuten Kritik ist die Antwort des Senates auf eine Kleine Anfrage, die genaue Zahlen und Daten liefert.

"Meine Befürchtungen haben sich bewahrheitet. Allein in Billstedt werden mehr Menschen untergebracht als in den meisten Hamburger Bezirken. Das ist unverhältnismäßig, wenn man dabei bedenkt, dass Bezirke in Hamburg zwischen 15 und 30 Stadtteile haben", sagt David Erkalp und fordert eine gerechtere Verteilung innerhalb aller Hamburger Stadtteile.

Insgesamt lebten Ende Oktober in den Hamburger Wohnunterkünften 7333 Menschen. Seitdem sind noch Hunderte Flüchtlinge dazugekommen. Die Zahl der Plätze in den Unterkünften wird daher bis März um 476 erhöht. Allerdings dementiert die Sozialbehörde, dass sie in diesem Jahr sogar noch 1000 weitere Wohnplätze innerhalb Hamburgs suchen würde, wie einige Bezirkspolitiker vermutet hatten.

Zum Hintergrund: Die Zahl der Asylbewerber in Hamburg war von 2405 im Jahr 2000 auf 770 im Jahr 2009 gesunken. Folge: Viele Wohnunterkünfte wurden geschlossen. 2010 stieg die Zahl der Flüchtlinge wieder - auf geschätzt rund 1400. Das bringt die Sozialbehörde in Not.

Gegen den heftigen Protest aller Parteien im Bezirk Mitte hat die Behörde Teile einer Wohnsiedlung reaktiviert: ausgerechnet am Billstieg in Billbrook, ganz in der Nähe der Berzeliusstraße, wo einst eine Wohnanlage stand, die zum kriminellen Slum wurde. In diesem trostlosen Block am Billstieg mitten in einem Industriegebiet soll die Zahl der Bewohner von 422 auf 592 erhöht werden.

Für David Erkalp ist das ein Unding. "Den Billstedtern und Billbrookern wird zu viel zugemutet, denn die Stadtteile sind bereits in vielen Bereichen benachteiligt", sagt er. Es sei den Bürgern schwer zu vermitteln, warum diese Stadtteile nun wieder dran seien. Erkalp fordert eine gerechtere Verteilung der Aussiedler, Asyl- und Wohnungssuchenden und Obdachlosen über das ganze Stadtgebiet.

Die am stärksten belegten Wohnunterkünfte hat der Bezirk Nord. 1584 waren es Ende Oktober vergangenen Jahres. Es folgen die Bezirke: Mitte (1254), Wandsbek (1206), Bergedorf (1094), Altona (1028), Harburg (641) und Eimsbüttel (526).

Selbst innerhalb des Bezirks Mitte sei die Unterbringung ungerecht, weil von den 1254 Plätzen allein 1016 im Billstedter Raum liegen, sagt Erkalp. Der CDU-Bürgerschaftsabgeordnete, der auch für Billstedt zuständig ist, bemängelt weiterhin die Qualität der Unterbringung am Billstieg. "Die Menschen haben es in dieser Unterkunft besonders schwer", sagt er. "Denn sie benötigen dort viel mehr Zeit, sich zu integrieren."

Erkalp höre oft, dass Menschen aus dem Billstieg nicht gern genommene Mieter seien. Erkalp: "Sogar die Saga/GWG, so berichten Betroffene, würde keine Wohnungen für Menschen aus dem Billstieg zur Verfügung stellen. Die Folgen sind ein Abrutschen in die Kriminalität und die Verweigerung zur Integration. Das haben wir uns eigentlich anders vorgestellt."

"Wir sollten erst mal versuchen, diesen Menschen zu helfen, bevor wir uns neuen Problemfeldern widmen. Menschen, die hilfsbedürftig sind, müssen einen Platz finden, wo sie menschenwürdig leben können, auch wenn es nur vorübergehend ist", sagt er. Der Stadtrand dürfe nicht die "Müllhalde der Gesellschaft" sein.

Eine ähnlich heftige Kritik hatte der renommierte Stadtplaner Professor Dieter Läpple im Abendblatt geäußert. Er bewertete die Massenunterbringung am Billstieg als "menschenunwürdig" und sagte: "Ich begreife nicht, dass man vor dem Hintergrund der Erfahrungen mit der Berzeliusstraße jetzt so etwas wieder macht."

Nach den heftigen Protesten der Bezirksparlamentarier hat die Sozialbehörde ein umfangreiches Begleitprogramm für die Wohnunterkunft Billstieg zugesichert. So soll das Gelände bewacht werden. Zusätzliche Sozialarbeiter sollen den Bewohnern helfen. Und die Behörde will für eine "gemischte Belegung" sorgen.