Der Chodorkowski-Prozess hat wenig mit Rechtsstaat zu tun

Der Richterspruch über Michail Chodorkowski wurde bewusst in die Weihnachtstage verschoben, weil der Rest der Welt durch Feiertagslaune abgelenkt ist. Doch diese Erklärung greift zu kurz. Die Vertagung der Urteilsverkündung über den ehemaligen Ölmagnaten ist auch ein Indiz dafür, dass selbst im Kreml das Prozess-Schauspiel gegen den mächtigen Regierungskritiker umstritten ist. Immer klarer zeigt sich, dass das Urteil vor allem ein persönlicher Rachefeldzug von Regierungschef Wladimir Putin ist. Der musste sich von Chodorkowski einst Korruption vorwerfen lassen. "Der Dieb muss im Gefängnis sitzen", hetzte Putin nun im Fernsehen. Sogar Kremlchef Dmitri Medwedew verbat sich diese Art der Einmischung.

Medwedew wettert häufig gegen politisch gesteuerte Justizwillkür. Seine Macht aber will er genauso wenig wie Putin durch eine Freilassung Chodorkowskis gefährden. Mit einem scharfen Urteil ist deswegen zu rechnen. Die Lobby für einen fairen Prozess ist im Kreml noch zu schwach.