Ein amerikanischer Präsident, der zu Beginn seiner Amtszeit als kraftvoller Tiger losgesprungen war und nun, noch mitten in der Luft, bereits eher wie ein Bettvorleger wirkte - dies gehörte zweifellos zu den bedenklichen politischen Phänomenen des zu Ende gehenden Jahres. Die notorisch ungeduldigen Amerikaner lasten es Barack Obama an, dass er nicht in Rekordzeit jene kapitalen Fehler zu beseitigen vermochte, die andere vor ihm zu verantworten haben - vor allem in der Wirtschafts- und Finanzpolitik. Doch plötzlich feiern ihn manche Medien als "Comeback-Kid".

Der Steuerkompromiss mit den Republikanern, die Aufhebung der Diskriminierung von Homosexuellen in den Streitkräften und zuletzt die mit viel Einsatz und taktischer Raffinesse erzielte Ratifizierung des START-Abrüstungsvertrages mit Russland - dies sind ohne Frage beachtliche politische Erfolge der vermeintlichen "lahmen Ente" Obama. Allerdings sind diese Erfolge in einer Art Torschlusspanik erzielt worden.

Die Kongresswahlen im November haben die Republikaner deutlich gestärkt. Wenn sich der neue Kongress im Januar konstituiert, werden darin zahlreiche Anhänger der erzkonservativen Tea-Party-Bewegung sitzen. Es gilt als wenig wahrscheinlich, dass es dem demokratischen Präsidenten gelingen wird, diese Abgeordneten und Senatoren für seine weiteren Reformen zu gewinnen. Die nächsten beiden Jahre könnten von einem politischen Stillstand gekennzeichnet sein, den sich Amerika nicht leisten kann.