Die Geschichte der weihnachtlichen Bräuche in Hamburg

Hamburg. Die Ratsherren waren wenig amüsiert: Vor knapp 200 Jahren wurden auf den Märkten der Hansestadt besonders zur Weihnachtszeit "Rosinenmänner" feilgeboten. Es handelte sich um kleine, aus Rosinen und getrockneten Pflaumen hergestellte Puppen, die einen vielfach geknickten Papierkragen trugen. Die Ähnlichkeit mit den Würdenträgern im Rathaus war selbst den Deerns und Buttjes klar. Da der Spaß nur einen Schilling kostete, griffen besonders die Lütten gerne zu.

Offensichtlich indes hatten die Marktschreier ein schlechtes Gewissen, süße Ebenbilder der Ratsherren, Senatoren oder Oberalten für so wenig Geld anzubieten. Entsprechend verschämt klang ihr Ausruf: "So'n Mann mit'n Kragen, ich derf es kaum sagen, kost man een Schilling."

Wer sich etwas mehr leisten konnte, stellte zum Heiligen Abend Lichterpyramiden in die gute Stube. In seinem 1982 veröffentlichten "Hamburger Weihnachtsbuch" beschreibt der Autor Eckart Kleßmann diese Prachtstücke. Sie bestanden aus vier in ein Brett gesteckte, sich nach oben zu einer Spitze vereinigten Holstöcke, die kunstvoll mit Tannenreisern umwickelt waren. Die Spitze schmückte eine mit Schaumgold überzogene Lehmkugel, die wiederum von einer Fahne aus Flittergold gekrönt war. Auf das Moos am Fuße der mit bunten Papierschnipseln verzierten Pyramide pflegten viele Hamburger eine Tonfigur zu legen - nicht das Christkind, sondern Genovefa mit der Hirschkuh.

Zur Glückseligkeit der Kinder wurde "Schleckerkram" an die Pyramide gehängt, wie heutzutage an den Christbaum. Beliebt waren mit Schaumgold überzogene "Suckerdaler" oder süße Kringel. Dieser Brauch hielt sich bis ins erste Drittel des vergangenen Jahrhunderts.

Noch länger war es Sitte, ausschließlich den Nachwuchs mit kleinen Geschenken zu überraschen. Präsente unter Erwachsenen oder für die Eltern wurden erst in jüngerer Zeit modern.

Nicht mehr bekannt sind dagegen Weihnachts- oder Neujahrswünsche: Auf liebevoll gemalten Papierbögen notierten die Mädchen und Jungs in Versform, was Mutter und Vater Freudvolles widerfahren möge. Wie bei allen Bräuchen gilt damals wie heute: Jede Familie pflegte ihre eigenen Rituale. Dazu zählen hausgemachte Rezepte.

In einem Hamburger Kochbuch von 1798 sind zwölf Varianten aufgeführt, wie Karpfen zu Weihnachten wohlschmeckend auf den Tisch kommen kann. Dazu zählten Karpfen mit Ingwer, Muscheln oder "welschen Nüssen" (Walnüsse), schwarz gestoft und mit Teig in der Kasserolle. Leckermäulchen labten sich am zerschnittenen Fisch, in Bier gekocht, mit Nelke und Muskatblume abgeschmeckt.

Über Jahrhunderte gehalten haben sich Braune Kuchen als Spezialität zum Fest. Früher beinhalteten sie in Rosenwasser aufgelöste Pottasche, Franzbranntwein, Kaneel, Kardamom und jede Menge Zitronenschalen. Andere Familien zogen Schneeballen, Zuckerstruven, Englischen Schnitt oder Spanische Butterbrote vor. Marzipan zählte damals wie heute für jene dazu, die sich dieses kostbare Naschwerk leisten konnten.

Traditionell wurden Christmetten op Platt gehalten, und natürlich wurden ursprünglich auch Weihnachtslieder in der niederdeutschen Muttersprache gesungen. Erst im 18. Jahrhundert setzten sich nach und nach hochdeutsche Gedichte durch.

Platt war die Sprache der einfachen Leute auf den Weihnachtsmärkten. Chronisten berichten von Sodom und Gomorrha im Schatten der Buden. "Man sieht ein buntscheckiges, lumpiges, ekelhaftes Gesindel gaffen und toben", steht im "Hamburger Weihnachtsbuch", "an den dunkeln Plätzen sollen oft Leute bestohlen oder gemisshandelt werden." An vornehmeren Ecken boten Hanseatinnen den Käufern auch Zuckerwerk, Kirschsaft, Zahnpulver, Perücken, Gänsebrüste oder Liebesbriefe an.

Ein Bürger namens Garlieb Merkel berichtet 1801 vom Christmarkt in den Kreuzgängen, in der Hauptkapelle und weiteren Teilen des damaligen Doms. Zwar wurde das Kirchenleben arg behindert, doch erfreute sich die Gemeinde anständiger Einnahmen durch Vermietung der Stände. Was wiederum die Ratsherren amüsierte.