Weihnachten ist eine einzige Katastrophe - zumindest manchmal. Abendblatt-Redakteure erinnern sich an ihre schlimmsten Weihnachten.

Ein Weihnachts-Boykott und die viel zu späte Reue

Mit 17 Jahren war ich gegen alles. Gegen Atomkraft, gegen Spießigkeit, gegen Kapitalismus, vor allem gegen Konsumterror und geheuchelte Nächstenliebe zu Weihnachten - und damit natürlich auch gegen die obligatorische Geschenkeschlacht. Als ich meinen Eltern hoch erhobenen Hauptes verkündete, dass ich ab sofort (1979) weder Weihnachtsgeschenke zu erhalten noch zu machen wünschte, versuchten sie mit vereinten Kräften, mich umzustimmen. Aber nichts da: Auf Weihnachten kann ich verzichten. Gnädig ließ ich mich herab, zumindest an den Feierlichkeiten teilzunehmen.

Das erste mulmige Gefühl befiel mich am Morgen des Heiligabends, als ich durch den Flur ging und einen Blick auf die verschlossene Wohnzimmertür warf. Hin und her huschende Schatten hinter dem geriffelten Glas und das Rascheln von Papier verhießen weihnachtliche Vorbereitungen der Eltern. Mich allerdings betrafen sie nicht. Aber egal. Weihnachten war eh doof.

Als wir dann das Weihnachtszimmer betreten durften und vor dem kerzenscheinenden Tannenbaum Weihnachtslieder sangen - die anderen, ich nicht! - bekam ich das mulmige Gefühl schon wieder. Besonders schlimm wurde es, als meine jüngeren Geschwister Sabine, Nikolas und Dominik dann freudig ihre Geschenke auspackten. Ich hatte große Mühe, gute Miene zum bösen Spiel zu machen.

Und weiß seitdem den Wert von Weihnachten - und Geschenken - sehr zu schätzen.

Das Lametta meiner Schwester: Deutscher geht's nicht

Ich mag meine Schwester, und es soll bei diesem Text bitte nicht der Eindruck entstehen, ich würde sie nicht mögen. Sie ist halt nur ... Gut. Ich erzähle am besten der Reihenfolge nach.

Meine Schwester ist vor zehn Jahren in die USA gegangen, sie wollte das so. Voriges Jahr war es plötzlich schwierig mit ihrer Aufenthaltsgenehmigung, komplizierte Geschichte, auf jeden Fall konnte sie das Land nicht verlassen, auch nicht zum Fest. Also flog ich hin.

In Washington DC sah es Weihnachten 2009 nicht anders aus als hier, nur dass in den USA erfahrungsgemäß natürlich alles größer, fetter und lauter ist. Es lag also nicht ein Meter Schnee, sondern drei, und da Amerikaner vieles können, aber sicher nicht Auto fahren, war schon der Weg vom Flughafen zu ihrer Wohnung eine, nun ja, Erfahrung.

Der nächste Tag war der Tag vor Heiligabend. Einen Baum hatten wir noch nicht. Es sollte aber ein echter sein, meine Schwester bestand darauf. Wir fuhren zum Baumarkt, und was wir dort sahen, entsprach in etwa den oben erwähnten Vorstellungen von "größer, lauter, fetter"; auf dem Rückweg erfror ich dann fast, weil die Tanne ab Mitte des Stamms aus dem Fenster hing. Baumschmuck hatte ich aus Deutschland mitgebracht, das hatte meine Schwester bereits im Herbst mit meiner Mutter organisiert. Schon da hätte ich es eigentlich ahnen sollen: Meine Schwester ist ein Weihnachtsnazi. Weihnachtsnazis zeichnen sich dadurch aus, dass sie - vor allem im Ausland - nicht ohne Essentials feiern: deutsche Baumkerzen, deutsche Dominosteine, deutsche Musik. "Jingle Bells" oder "White Christmas" sind verhandelbar, ein Baum ohne Lametta allerdings nicht. Also fuhren wir am Morgen des Heiligen Abends noch einmal in die Vorstadt - zum deutschen Laden. Mir war die Besinnlichkeit vergangen, aber Weihnachtsnazis macht das nichts aus. Nicht-besinnliche Festtage sind bei ihnen nicht vorgesehen. Und so wurde 2009 für mich ein sehr besinnliches Weihnachten.

Hundekot ist noch kein Beinbruch

Heiligabend 1981. Ich hatte einen Ferienjob als Geschenkeverpackerin in einem Porzellanladen. Als sich um 14 Uhr die Geschäftstüren schlossen, hatte ich es sehr eilig. Ich wollte mich schließlich vor der Familienfeier bei den Eltern mit Omas, Brüdern und anderen Verwandten noch aufhübschen. In der mit Hektik gepaarten Vorfreude übersah ich kurz vor meiner Haustüre den frischen, dampfenden Hundehaufen auf dem Gehweg und trat mit dem rechten Fuß genau in die weiche Mitte. Aufgebracht über alle Hundebesitzer dieser Welt, sah ich mich in der Küche unserer Wohngemeinschaft einer weiteren übel riechenden Herausforderung ausgesetzt. Essensreste von der WG-Christmas-Party am Vorabend schwammen in einer unappetitlichen Spülwasserbrühe im Becken. Der Abfluss war verstopft. In Eile und mit wachsender Wut auf alle WG-Menschen dieser Welt packte ich nach mühseligem Abschöpfen eine Buddel Abflussreiniger und schüttete statt der empfohlenen Esslöffelportion gleich die Hälfte des Flascheninhalts in den Siphon. Eine Überdosis mit fatalen Folgen: Im Abfluss brodelte es, Dämpfe stiegen auf, es zischte, ich flüchtete, der Abfluss explodierte - in dem Moment, in dem ich die Küchentür hinter mir zuknallte.

Schlimmer kann es nicht kommen. Dachte ich. Bei den Eltern angekommen, entschied ich mich spontan, meiner Sandkastenfreundin Susanne ein paar Häuser weiter ein frohes Fest zu wünschen. Ich schlitterte auf der leicht abschüssigen Straße über Eis, verlor das Gleichgewicht, flog - in Erinnerung natürlich in Zeitlupe - und landete auf meinem rechten Unterschenkel. Ich hörte es knacken. Mein Vater brachte mich am Nachmittag ins Krankenhaus. Diagnose: Wadenbeindurchbruch, Schienbeinanbruch und alle Bänder, die da unten was auch immer zusammenhalten, abgerissen. Den Rest des Weihnachtsfestes, Silvester und Neujahr verbrachte ich im Krankenhaus. Wer hat eigentlich behauptet, Hundedreck am Schuh bringt Glück?

Fuß-Fetischist, Streiks und Landen ohne Landebahn

Weihnachten 2007, ich studiere in Südfrankreich. Bereits Wochen im Voraus hatte ich meinen Flug und das Bahnticket zum Flughafen gebucht, um Heiligabend zu Hause zu sein. Um 5 Uhr steige ich in den Zug nach Nizza. Ich ziehe meine Schuhe aus und legte meine Füße auf die Bank. Nach gefühlten zwei Sekunden schlafe ich ein. Irgendwann spüre ich etwas an meinen Füßen. Ich öffne die Augen und sehe eine Nase direkt hinter meinem großen Zeh. Ein völlig Fremder hatte sich mit seinem Gesicht genau an meine Füße gelegt. Alle anderen Sitzplätze waren frei. Angewidert ziehe ich meine Beine an und stelle mich schlafend. Als der Fuß-Fetischist zur Toilette geht, flüchte ich.

In Marseille muss ich umsteigen. Aber der Zug kommt nicht - Streik. Franzosen ist eben nichts heilig, nicht mal Heiligabend. 90 Minuten später kommt mein Zug. Es wird knapp.

65 Kilometer vor Nizza bleibt der Zug in einem Bahnhof plötzlich stehen. Strecke gesperrt. "Koste es, was es wolle, du kommst hierher", sagt Mama. Also winke ich ein Taxi heran. Wenn Mama gewusst hätte, dass sie das 130 Euro kosten würde ... na ja, hat sie ja nicht.

In Nizza sind bereits alle anderen Passagiere in meinem Flieger. Erst nach langem Flehen darf ich noch rein. Dann endlich München in Sicht. Eigentlich nicht wirklich: dichter Nebel. Während der Landung sehe ich, wie sich der Nebel lichtet. Häuser sind zu erkennen. Ziemlich große Häuser, ziemlich nahe Häuser. Sofort startet das Flugzeug durch und zieht wieder nach oben. "Sie haben es gesehen, da war keine Landebahn", sagt der Pilot über die Lautsprecher. Der zweite Landeanflug klappte. Frohes Fest!

Der große Saugangriff auf die Läuse

Nein, das kann nicht sein. Denke ich noch, als die Laus blitzschnell in den Locken meiner Tochter verschwindet. Es ist doch Heiligabend. Da entdecke ich schon eine zweite. Nichts mit Tannenbaum schmücken, die letzen Geschenke einpacken. Stattdessen Läusebekämpfungsprogramm. Aber pronto.

Um 17 Uhr soll die Familie schließlich mit Oma in der Kirche sitzen. In Feiertagsstimmung, versteht sich. Also, Kind aus dem Bett gezerrt. Mann zur Apotheke gejagt, um Läusemittel zu ergattern. Derweil: Betten abziehen, Stofftiere in die Gefriertruhe zur Entlausung verfrachten, Boden frei räumen zum großen Saugangriff. Und dann ist kein Staubsaugerbeutel da. Wieder rast der Mann los.

Während der Rest der Familie mit hohen Handtuchturbanen auf dem Kopf auf die chemischen Kräfte und den schnellen Läusetod setzt, klingelt das Telefon: platt gefahrener Reifen auf halber Strecke zum Staubsaugerbeutelkauf. Ich lache. Schicksalsergeben. Es klingt leicht hysterisch. Um es kurz zu machen: Wir haben es geschafft.

Es gab einen Weihnachtsbaum, Geschenke, etwas zu essen. Und in der Kirche waren wir später auch. Mit Mützen.

Alle Jahre wieder Ärger mit dem spiddeligen Baum

Wenn andere mit glänzenden Augen von den Weihnachtserlebnissen in ihrer Kindheit erzählen, bin ich immer ganz still. Denn meinen Eltern fehlte für dieses Fest das Gespür. Mein Vater musste Heiligabend immer noch bis Mittag arbeiten und zog erst nach dem Essen los, um im Wald eines befreundeten Bauern einen Weihnachtsbaum abzusägen. Es waren ausnahmslos irgendwelche krummen Fichtenkrüppel, die der Bauer loswerden wollte. Jedes Jahr wieder schlug meine Mutter die Hände über dem Kopf zusammen, wenn sie das mickrige Bäumchen sah, aber mein Vater ließ sich nie erweichen, für einen Weihnachtsbaum Geld auszugeben. Da zimmerte er lieber stundenlang herum, um Äste einzusetzen, wo sie allzu augenscheinlich fehlten. Darüber setzte stets schon die Dämmerung ein, und der Baum musste noch geschmückt werden. Vor der Bescherung gab es dann auch noch Essen. Wir Kinder platzten fast vor Anspannung.

Seit ich für Heiligabend zuständig bin, läuft es besser. Der Baum ist am Abend des 23. geschmückt, gegessen wird nach der Bescherung. Das einzige Malheur, das (fast) alle Jahre wieder passiert, ist, dass das Löschwasser für die Kerzen im Eimer auf der Terrasse gefriert. Bisher brauchten wir es nicht. Als ich beim letzten Mal mit dem Nachfüllgas für das Stabfeuerzeug eine Verpuffung auslöste und das Spülbecken in Flammen stand, hat mein Mann den Brand mit einem Handtuch erstickt. Meine Augenbrauen und Wimpern sind inzwischen nachgewachsen.

Sie sagte Ja, aber letztlich einmal zu oft

Das Fest der Liebe. Da musste sich doch irgendwie ein Geschenk draus basteln lassen. Also beschloss ich 2006, meiner Liebsten einen Heiratsantrag zu machen. Mit kitschsicherem Gespür besorgte ich Champagner, rote Rosen und einen Ring samt funkelndem Stein, von dem mir die Goldschmiedin meines Vertrauens versicherte, es sei ein echter Diamant. Zwar in einer Größe, die man ehrlicherweise nur als klein bezeichnen kann, aber immerhin. Am 24. Dezember besetzte ich das Wohnzimmer, verstreute die kunstgerecht zerkleinerten Rosen im Raum, füllte den Perlwein in dazu passende Gläser und zwang meine morschen Gelenke zu einem halbwegs elegant anmutenden Kniefall. Sie sagte Ja. Knapp drei Jahre später sagte sie noch einmal Ja. Als ich sie fragte, ob sie die Forderung nach meinem Auszug aus der gemeinsamen Wohnung tatsächlich ernst meinen würde ...

Haben Sie auch ein chaotisches, skurriles, "schreckliches" Weihnachtsfest erlebt? Schreiben Sie uns doch hier Ihre Geschichte: