Der Hamburger Bundestags- abgeordnete Jürgen Klimke, 62 (CDU), war als OSZE-Wahlbeobachter in Minsk.

Hamburger Abendblatt:

1. Nach der Wiederwahl des weißrussischen Präsidenten Alexander Lukaschenko ist die Gewalt auf den Straßen eskaliert. Die Opposition spricht von Wahlbetrug. Als OSZE-Wahlbeobachter waren Sie am Sonntag in Minsk. Welchen Eindruck haben Sie?

Jürgen Klimke:

Was ich in den Wahllokalen erlebt habe, war völlig okay. Wir durften alles sehen und alles fragen. Auch bei der Auszählung waren wir für anderthalb Stunden dabei. Ich hatte den Eindruck, dass die Wahl nach vernünftigen demokratischen Kriterien läuft. Der wohl schon vorher begangene Betrug ist sehr schwer nachzuweisen.

2. Die Bilder der Gewalt sprechen jedoch eine andere Sprache. Demonstranten wurden zusammengeschlagen und festgenommen.

Klimke:

Das ist natürlich schrecklich. Aber man muss immer beide Seiten sehen. Der Aufmarsch war das einzig Einvernehmliche, was die Opposition gemacht hat. Sonst gibt es viele unterschiedliche Grüppchen, und jeder schimpft auf den anderen. Eine geschlossene Opposition wäre für das Land sehr viel besser gewesen.

3. Lukaschenko ist den Oppositionellen ein Dorn im Auge. Wieso kann er das Land bereits seit 16 Jahren regieren?

Klimke:

Das Land macht insgesamt einen guten Eindruck. Es gibt Arbeit und eine gute wirtschaftliche Entwicklung. Die Leute können alles kaufen. Es ist nicht wie in der DDR, dass man für Bananen anstehen muss. Die Leute gucken zuerst auf sich selbst und nicht auf Pressefreiheit oder Demokratie.

4. Also ein relativer Wohlstand auf Kosten demokratischer Grundrechte?

Klimke:

Das ist schlimm, aber ja. Viele erkennen den Demokratiemangel nicht - weil sie es oft gar nicht anders kennen. Ich glaube, Lukaschenko wäre auch gewählt worden, wenn die Wahl nach unseren Maßstäben abgelaufen wäre.

5. Zum ersten Mal waren ausländische Wahlbeobachter im Land. Ein Zeichen für eine Öffnung in Richtung Demokratie?

Klimke:

Es gibt viele kleine Schritte in diese Richtung. Auch durften Oppositionspolitiker erstmals im Fernsehen auftreten. Aber das ist natürlich auch Kalkül des Präsidenten. So will er zeigen, dass Bewegung im Land ist, gibt aber seine Macht trotzdem nicht auf.