Eine Betrachtung von Sven Stillich

Diesen Text zu lesen überbrückt leider nur ein paar Minuten. Und falls Sie jetzt gerade an einem Bahngleis oder einer Bushaltestelle stehen und dringend irgendwohin müssen, werden Sie sich auch noch darüber ärgern - vielleicht sogar noch mehr als über den Bus oder den Zug, der nicht kommt. Denn es geht in diesen Zeilen darum, dass Warten auch gute Seiten haben kann. Zumindest wenn wir aufhören, dem Ende des Wartens entgegenzufiebern oder die Zeit bis dahin mit schlechter Laune zu füllen.

Denn Warten ist wertvoll und selten. Wann warten wir denn heute noch auf irgendetwas (außer auf das Christkind, aber das gilt in diesem Falle nicht)? Was heute bestellt ist, wird morgen geliefert, ein Musikstück aus dem Internet ist in Sekunden auf den Rechner geladen, viele können es nicht einmal abwarten, im Büro angekommen zu sein, und laufen mit heißem Kaffee durch die Stadt.

Dabei kann Warten eine Zeit der Muße sein, und damit sie das werden kann, müssen wir nichts Besonderes tun - wir müssen sie nur nutzen. Um Gedanken schweifen zu lassen. Um auf neue Ideen zu kommen. Für geistige Wartungsarbeiten jeglicher Art. Aus Langeweile kann Neues entstehen, wenn wir die geschenkte Zeit als Geschenk annehmen. Der Alltag verspätet sich um ein paar Minuten. So weit zu gehen, der Bahn oder der Fluglinie auch noch dankbar zu sein, müssen wir natürlich nicht. Und jetzt ist der Text, wie versprochen, vorbei.