Viele Züge am Hauptbahnhof zwei Stunden verspätet. Reisende fühlen sich im Stich gelassen. Auch 35 Flüge gestrichen

Hamburg. Bibbernd steht Bettina Brod auf Bahnsteig Nummer 14 des Hamburger Hauptbahnhofs. Immer wieder rubbelt sie ihre Hände aneinander, haucht sie an, trampelt fröstelnd auf der Stelle. Währenddessen blickt sie hoch zur Anzeigetafel. Immerhin: Angezeigt wird ihr Zug, der ICE nach Göttingen. Allerdings mit Verspätung versehen, und zwar mit ständig wachsender: Erst sollen es bloß zehn Minuten sein, dann plötzlich 15 und auf einmal 20. "Mal sehen, ob ich bis Weihnachten zu Hause bin", scherzt Brod und haucht wieder warme Atemluft gegen ihre Hände. Man sieht der 48-Jährigen an: So wirklich war das gerade doch kein Witz.

Rückblick. Der Hauptbahnhof gestern um 17 Uhr: Die Menschen drängen sich gestresst durch die Wandelhalle, auf den Bahnsteigen sowie vor den Fahrkarten-Automaten und Info-Schaltern, wild werden Koffer durcheinandergerollt, schlagen Reisetaschen aneinander. Es ist hektisch. Kinder weinen, Gruppen halten sich per Zuruf beieinander, und ständig dröhnen Ansagen durch die Lautsprecher, von denen man meistens nicht mehr versteht als irgendetwas von "... auf unbestimmte Zeit verspätet!" Es ist laut. Auf dem Boden bilden Matsch aus Eis und Schnee und Müll und Streugut eine eklig-glitschige Suppe, während der Wind pfeift und die Temperaturen alles andere als sommerlich sind. Es ist nass und kalt. Kurz: Der Hamburger Hauptbahnhof ist an diesem Sonntagnachmittag wirklich kein Ort zum Wohlfühlen.

Einige Züge treffen hier mit bis zu zwei Stunden Verspätung ein - auch weil die Deutsche Bahn wegen der eisigen Temperaturen die maximale Geschwindigkeit der Fernzüge auf 200 Kilometer pro Stunden begrenzt hat. Durch die niedrige Geschwindigkeit werde verhindert, dass Eisklumpen, die von der Wagenunterseite herunterfallen, Schottersteine hochwirbeln und so die Fahrzeuge beschädigen, sagt Bahnsprecherin Sabine Brunkhorst. Die Situation werde zusätzlich verschärft durch die Reisenden, die wegen gestrichener Flüge gezwungen worden seien, auf die Bahn umzusteigen.

Auch in den nächsten Tagen sollten Bahnreisende "eine gute halbe Stunde mehr Zeit für die Fahrt einplanen", sagt Sabine Brunkhorst. Unter der kostenlosen Rufnummer 08000/99 66 33 informiere die Deutsche Bahn über Verspätungen und Zugausfälle.

Informationen bräuchten auch Marion Tahn, 49, Anja Jaster, 51, und Annedore Knop, 59, die gerade auf der Heimfahrt von Lübeck nach Nöpke bei Neustadt am Rübenberge sind. Eng aneinandergelehnt harren die Damen der Dinge und blicken frierend aufs leere Gleis. "Unser Zug bekommt alle paar Minuten wieder ein bisschen mehr Verspätung. Keiner sagt uns, warum ...", empört sich Annedore Knop, "... oder bietet vielleicht mal ein warmes Getränk an", wirft Marion Than ein. Unzumutbar sei diese "Salamitaktik", beschweren sich die Frauen. Das verbitterte Resümee der Freundinnen: "Wer sich auf die Bahn verlässt, ist verlassen!"

Umso absurder erscheinen Feststellungen wie diese vor dem überdimensionierten Werbeplakat einer Fluggesellschaft. Die verspricht nämlich: "Nicht warten, sondern starten". Auch am Flughafen Fuhlsbüttel stoppt der Schnee die Reisenden. Für etliche Passagiere heißt es hier: Nichts geht mehr. Viele Maschinen bleiben am Boden. 35 Verbindungen wurden gestrichen.

Zwar bereiten die eisigen Temperaturen den Flugzeugen keine Probleme. "Aber wenn es schneit, müssen die Landebahnen nun mal aufwendig geräumt werden. Das hat den Flugplan erheblich durcheinandergewirbelt", sagt Stefanie Harder, Sprecherin des Hamburger Flughafens.

Wann sich die Lage normalisiert, sei ungewiss und hänge davon ab, ob die internationalen Großflughäfen - die Drehkreuze des Flugverkehrs - wieder zum Regelbetrieb zurückkehren könnten. Harder: "Hauptsache, es schneit nicht mehr." Egal, wo in Europa. Denn sobald ein europäischer Großflughafen betroffen ist, bekommt auch Hamburg die Schockwellen zu spüren.