Eine Glosse von Nico Binde

Heiliger Kummerkasten! Dieses Mal geht es um das große Ganze, um das soziale Gleichgewicht, um den inneren Frieden: Es geht um den norddeutschen Fußball. Seit Wochen bestehen die Fanlager des FC St. Pauli, des HSV und der ethnischen Minderheit aus Bremen aus gebeugten, traurigen Menschen. Wo früher beißender Spott die montäglichen Bürogespräche dominierte, hat sich inzwischen eine bizarre Leidensgemeinschaft gebildet. Mit blutunterlaufenen, verweinten Augen werden die gleichen Bachblütentees gekocht und Qualitätsempfehlungen für saugkräftige Taschentücher ausgetauscht. Und das ist - bei allem Respekt - zu viel Harmonie für einen Sport, dessen Anhänger Kategorien wie "gut" und "böse" oder Krieg und Frieden bevorzugen.

Wie aufgeräumt die Welt dagegen vormals war. Da ertrugen St. Paulianer die wöchentliche Häme, um nach einem fulminanten Sieg das Feierbiest umso exzessiver von der Kette zu lassen. HSVer gefielen sich als Hamburger Korrektiv und ergötzten sich konstant am oberen Tabellendrittel, während Bremer eigentlich immer einen Grund zum Flöten hatten. Doch nun ächzen alle Lager Woche für Woche unter dem gleichen Joch bitterer Niederlagen. Taumeln, trudeln und torkeln sind die Verben, die den norddeutschen Fußball seit Wochen in den Tabellenkeller schrauben. Und wenn es schon einem Triumphzug gleichkommt, mit nur einem Tor Unterschied verloren zu haben, ist die seelische Armutsgrenze erreicht.

Diese Harmonie ist vergiftet. Da kann Fußballphilosoph Andreas Möller noch so oft behaupten: "Gewinnen ist wie verlieren, nur umgekehrt."