Bastian Reinhardt, 35, ist seit Mai 2010 Sportdirektor beim HSV.

Hamburger Abendblatt:

1. Herr Reinhardt, während des Spiels gegen Bayer Leverkusen und danach gab es laute "Vorstand raus"-Rufe der HSV-Fans. Ist die aktuelle Krisenstimmung mit ein, zwei Siegen wieder zu beruhigen?

Bastian Reinhardt:

Die Situation ist gefährlich. Man merkt, dass sich eine Anti-Haltung aufgebaut hat und sich Gräben und Fronten auftun. Aber auch die Anhänger müssen sich entscheiden, welchen Weg sie gehen wollen. Wir brauchen den Rückhalt, das Anfeuern und Mitreißen.

2. Torwart Frank Rost beklagte nach dem Spiel, dass er sich beim HSV ein bisschen wie im Gedicht "Zauberlehrling" von Goethe fühle.

Reinhardt:

Ich bin ja froh, dass wir dieses Werk noch im Deutschunterricht hatten und ich mir deshalb vorstellen kann, was gemeint ist. Auch Frank muss sich entscheiden, was er möchte, ob er hier mitreißen oder nur etwas niederreißen will. Ich weiß jedenfalls nicht, was er bewirken will, wenn er so etwas Kryptisches von sich gibt. Ein bisschen mehr Selbstkritik würde jedenfalls auch nicht schaden. In jedem Fall gibt es Gesprächsbedarf.

3. Über den Charakter der Mannschaft wurde oft diskutiert. Fehlt es an einer Gemeinschaft?

Reinhardt:

Die Frage stellen wir uns auch. Wir haben eine Mannschaft, in der einige Spieler ein gewisses Alter erreicht haben. Viele Verträge laufen aus, einige wissen nicht, ob sie nächste Saison noch in Hamburg sind. Fakt ist, dass wir in dieser schwierigen Situation zu wenig Gegenwehr zeigen. Wenn ich auf den Platz schaue, sehe ich nur zwei, drei Spieler, die unbedingt wollen, die sich gegen den Misserfolg stemmen. Das ist zu wenig. Ich verlange von jedem Spieler mehr. Gerade in einer Phase, in der es nicht läuft, zeigen sich echte Kerle.

4. Gerade diese alten, erfahrenen Spieler sollten es beim HSV richten. Warum versagt dann ein Spieler wie Zé Roberto völlig?

Reinhardt:

Ich war auch nicht sehr angetan von seinem Spiel, so viele eklatante Fehler dürfen einem Spieler wie ihm nicht passieren. Darüber müssen wir ebenfalls sprechen. Überhaupt muss sich jeder Einzelne in der Mannschaft hinterfragen, ob er in der Lage ist, noch alles für den HSV zu geben. Sonst müssen wir über die Konsequenzen nachdenken.

5. Bei anderen Bundesligavereinen gäbe es längst eine Trainerdiskussion um Armin Veh. Warum nicht in Hamburg?

Reinhardt:

Natürlich, wir können jetzt schon wieder den Trainer austauschen. Aber die Grundproblematik ist doch in Wahrheit eine andere: Wir haben eine Mannschaft mit sehr vielen Problemen.