Hans-Joachim “Hajo“ Seppelt, 47, ist Autor und Doping-Experte.

Hamburger Abendblatt:

1. Spanien wird von einem neuen Dopingskandal erschüttert. Sind Sie überrascht?

Hajo Seppelt:

Überhaupt nicht. Die spanische Antidoping-Politik, die Nähe der politisch Verantwortlichen und des organisierten Sports zu den Heroen legen den Verdacht nahe, dass es keine unabhängige Bewertung des Dopingproblems gibt. Hinzu kommt, und das gilt nicht nur für Spanien: Hochleistungssport und medizinische Beeinflussung gehen seit Langem eine so unheilige Allianz ein, dass die Grenzen zum Doping fließend sind.

2. Machen die Behörden in Spanien jetzt endlich Ernst im Kampf gegen Doping?

Seppelt:

Die Guardia Civil hat immer wieder Anstrengungen unternommen. Bei der Operación Puerto 2006 fehlte ihnen noch die rechtliche Grundlage in Form eines Antidoping-Gesetzes. Sollte sich der Verdacht gegen Eufemiano Fuentes erhärten, könnte jetzt mit viel schärferen Maßnahmen vorgegangen werden. Im jüngsten Fall des Tour-de-France-Siegers Alberto Contador ist allerdings deutlich spürbar, dass Aufklärung nicht im nationalen Interesse liegt. Insgesamt hinterlässt die spanische Antidoping-Politik keinen glaubwürdigen Eindruck.

3. 2006 war der Radsport betroffen, jetzt die Leichtathletik. Basieren die Erfolge des spanischen Sports vornehmlich auf Betrug?

Seppelt:

Solange Doping nicht sicher nachgewiesen wird, sind keine juristisch validen Aussagen möglich. Bei der Art und Weise, wie der Sport in Spanien von der Politik protegiert wird, sind Zweifel an der Sauberkeit angebracht. Die Uhren im Antidoping-Kampf standen dort offenbar lange still.

4. Warum durfte Fuentes nach dem Skandal um manipuliertes Blut noch als Arzt praktizieren?

Seppelt:

Bevor Doping strafbar wurde, konnte man nur wegen Verstoßes gegen den Schutz der öffentlichen Gesundheit belangt werden. Hinzu kommt, dass das Verfahren noch immer nicht abgeschlossen ist. Aber der Vorgang zeigt, wie unzureichend die Bekämpfung des Dopings juristisch geregelt ist.

5. Offenbar hat das Gesetz nicht abschreckend gewirkt. Ist das nicht Wasser auf die Mühlen derer, die es für überflüssig halten?

Seppelt:

Umgekehrt wird ein Schuh daraus: Ein Gesetz ist notwendig, entscheidend ist allerdings, ob auch dopende Sportler selbst darin unter Strafe gestellt werden. Doper glauben immer noch, aufgrund des biochemischen Vorsprungs und der Konspiration vor den Hütern des Gesetzes und vor Dopingkontrollen einigermaßen sicher zu sein. Das Kontrollsystem allein ist unzureichend, um die Frage zu klären, wie groß das Ausmaß des Dopings im Sport ist.