Ein Kommentar von Rainer Grünberg

Als Michael Stich vor zwei Jahren die Turnierleitung am Hamburger Rothenbaum übernahm, wusste er, dass nichts anderes von ihm erwartet wird als die Quadratur des Tennisplatzes. Nun hat die Schwere einer Aufgabe den selbstbewussten Wimbledonsieger noch nie geschreckt, doch diesmal hatte sich Stich doch etwas mehr sportliche Unterstützung erhofft. Wenn schon die Weltstars des fehlenden Kleingeldes wegen nicht mehr in Hamburg aufschlagen, so sollten doch wenigstens die Deutschen dieses seit 1892 bestehende Traditionsturnier retten, das sich German Open nennt - und damit auch für deutsche Sieger offen ist. Der letzte hieß Stich. Das war vor 17 Jahren. Damals war Kohl Kanzler, und die inzwischen Gesamtdeutschen freuten sich noch über die D-Mark.

Viel ist seitdem im deutschen Tennis geschehen, wenig Gutes allerdings. Das Fördersystem des Verbandes gilt weiter als eines der besten der Welt, und unter den ersten 100 der Weltrangliste sind die deutschen Damen und Herren immer noch zahlreich vertreten. Seit aber der gebürtige Hamburger Tommy Haas öfter beim Arzt sitzt als auf dem Court steht, hat es kein Spieler mehr in die Top Ten geschafft. Das Dilemma hat jetzt Bundestrainerin Barbara Rittner beschrieben: Denen, die Talent haben, mangelt es an Arbeitseifer, denen, die diesen haben, an Talent. Der Wille, der die Stichs, Beckers und Grafs einst auszeichnete, fehlt ihren Nachfolgern - die diese Bezeichnung nicht verdient haben. Beim Verdienen sind wir beim Problem. Man muss heute im Tennis nicht mehr unter den Top 20 sein, um sein Auskommen zu haben.