Sterneköchin Cornelia Poletto testet mit Abendblatt-Redakteur Matthias Rebaschus Hamburgs City-Weihnachtsmärkte.

1. Historischer Weihnachtsmarkt vor dem Rathaus

Hamburg. Mittags um 12 Uhr köchelt die Weihnachtswelt vor dem Rathaus noch auf Sparflamme. Nur vor den Kunsthandwerkerbuden und den Essständen stehen Menschen; die meisten auf der Suche nach Geschenken, Mitbringseln oder einem Imbiss. Sterneköchin Cornelia Poletto steht beim Südtiroler-Stand, beißt kräftig zu, und es kracht. "Das ist doch das Beste!", sagt sie über die knusprige Schwarte, die einer der Südtiroler Burschen extra auf das Brötchen mit dem Kräutersaftbraten gelegt hat. Das ist zwar nicht hamburgisch, aber trotzdem gut, original und zünftig. Mit großem Appetit verspeist sie den ordentlichen Braten-Happen, lobt: "Okay."

Das kurze Urteil bedeutet schon viel. Denn Cornelia Poletto kennt beim Test kein Pardon. Was nicht schmeckt, das legt sie gewöhnlich nach einem Bissen lächelnd zur Seite. Basta! Ideale Voraussetzungen, um mit ihr als Kritikerin über drei Märkte zu gehen.

Fünf Euro kostet der Kräutersaftbraten im Brötchen. Ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis, stellt Cornelia Poletto fest, und ihr gefällt der Dialekt der fröhlichen Burschen mit den grauen Fitzhüten, die alle aus der Nähe von Alta Badia kommen. "Ein schönes Skilaufgebiet", sagt die Testerin.

Der "Historische Weihnachtsmarkt" ist nach ihrem Sinne. Die Stimmung, die Musik, der Duft von gebrannten Mandeln und die vielen Handwerkerstände gefallen ihr. Lange guckt sie in die Auslage des Laternenmachers oder eines Schmuckstands. "So ein Markt muss mich in Weihnachtsstimmung bringen", sagt sie und berichtet, wie wichtig ihr das Fest mit der Tochter Paola ist.

"Einen Glühwein?" "Nein, hier riecht es nach korkigem Wein." Dafür probiert sie einen alkoholfreien Apfelpunsch. Zwei Schlucke und ein paarmal tief über dem Becher einatmen. "Schmeckt nur wie heißer Apfelsaft", urteilt sie. Die Würze fehle, alles sei nur säuerlich. Die getrocknete Apfelscheibe, die im Punsch schwimmt, wird nach einem Bissen beiseitegelegt. Polettos Urteil: "Das ist nicht der Reißer." Und 2,50 Euro für heißen Saft sei auch "eine Ansage". Also teuer.

Dafür mundet die Rentierwurst ein paar Stände weiter. "Nur zehn Prozent Fett", beeilt sich die Verkäuferin zu sagen, und immerhin: Cornelia Poletto isst noch eine Scheibe. Dann heißt es: "Bloß weg von hier. Unerträglich!" Die Nase der Sterneköchin reagiert sehr empfindlich auf die Bratfett-Wolken, die von gegenüber kommen. Der Fettgeruch am Stand, wo Kartoffelpuffer so dunkelbraun wie Schweinebratenkruste gebrutzelt werden, erinnert die Spitzenköchin an Fischfett.

Dann probiert die Testerin dänische Bonbons mit Erdbeer-Champagner-Geschmack. "Champagner?"

"Naja, es prickelt", stellt sie fest, aber der Erdbeergeschmack sei okay.

Wenige Schritte weiter wird die Starköchen ärgerlich. Im "Lebkuchenhaus" wollte sie ein Stück Lebkuchen probieren, doch es gibt nur würfelzuckerkleine Stücke von Stollen. "Kann man auch Lebkuchen probieren?"

"Nein, ist nicht aufgeschnitten", kommt die schnelle Antwort. Man müsse schon einen ganzen Lebkuchen kaufen. Etwas perplex geht Cornelia Poletto weiter. "Geht gar nicht, so etwas: kaufmännisch unmöglich."

2. Weihnachtsmarkt auf dem Gerhart-Hauptmann-Platz

Über die Mönckebergstraße geht es zum Gerhart-Hauptmann-Platz. Hier steht in der Mitte ein Glühweinstand, der "Selbstgemachten" anbietet und einen guten Ruf hat. Doch vorher gibt's was auf die Nase: Wir gehen durch Schwaden von Gyrosduft, vermischt mit dem Geruch einer Asia-Gewürzmischung. "Nein! Das hat auf einem Weihnachtsmarkt nichts zu suchen. Das ist der Geruch von Fressmeilen, davon haben wir genug", meint Poletto.

Der Glühwein für 2,50 Euro duftet dagegen gut. Cornelia Poletto probiert langsam. "Die Wärme ist angenehm", sagt sie. "Doch der schmeckt schnell spritig, eigentlich nur nach Nelke", sagt sie. Und: Um einen guten Glühwein selber zu machen, müsse man auch einen guten Rotwein verwenden. "Nicht Mouton-Rothschild, aber einen guten", sagt sie. Die Kritik perlt (wie an den anderen Ständen) an der lächelnden Verkäuferin ab, die fragt: "Kenne ich Sie nicht von irgendwoher?" Beim Hinweis auf "Fernsehen" fällt der Groschen, und die Dame beeilt sich zu sagen, dass sie "alle Sendungen mit Ihnen" sehe. Lächelnd verlässt die TV-Köchin den Stand. Nein, austrinken möchte sie nicht.

3. Weihnachtsmarkt auf dem Gänsemarkt

Auf dem Gänsemarkt hat der "Marktmeister" die Starköchin sofort erkannt. Doch seine Empfehlung, der Kinderpunsch, findet keine Gnade. "Schmeckt wie flüssiger Lolli, viel zu süß für Kinder", findet die Testerin. "Mit etwas Bitterem im Hintergrund." Schade, dass auch hier wieder ein Industrieprodukt einfach nur heiß gemacht würde. Das liegt auch noch offen vor den Augen: Aus großen Plastikpackungen mit dem Aufdruck "Kinderpunsch", die auf dem Boden stehen, führen Plastikschläuche zu einem Kessel.

Vielleicht sind die zuckerarmen Lebkuchen ja etwas, die auf der anderen Seite angeboten werden. Immerhin kann man hier probieren, und die Probierstücke sind auch nicht winzig. "Ich muss erst warten", sagt Cornelia Poletto. Denn so kalt wie die Lebkuchenstücke sind, würde der Geschmack nicht sofort den Gaumen treffen. Zwei Stücke probiert die Meisterköchin. Schlecht sei das nicht, aber etwas alt. "Ein frischer Lebkuchen ist innen noch etwas flüssig", sagt sie. Und auf einem Weihnachtsmarkt würde sie eben frischen Kuchen erwarten.

Beim Herausgehen versichert sich die Starköchin, dass das Abendblatt auch wirklich ihr härtestes Urteil schreibt. Hier ist es: "Es macht mich traurig, hier gleich am Eingang den Geruch von tiefgefrorenen Fischfrikadellen, die einfach ins Fett geworfen werden, zu spüren. Und Fischbrötchen gehören auch auf gar keinen Fall auf einen Weihnachtsmarkt", sagt sie. Fischmief und Billigbratfettgeruch könnte man keinem Hamburg-Besucher bieten. "Das ist schade, weil der Weihnachtsmarkt hier eigentlich sehr süß ist. Das ist auch mit den vielen Tannen sehr nett gemacht."

Cornelia Polettos Fazit fällt eindeutig aus: "Klar, auch ich gehe mit meiner Tochter gern über den Weihnachtsmarkt, aber es ist der historische", sagt sie. Allein der Platz unter dem Rathaus sei toll, und man merke, dass sich die Händler Mühe geben und nicht nur industrielle Fertigprodukte aufwärmen. "Dem Rathausmarkt gebe ich die Schulnote 2." Der Abstand zu den folgenden Märkten ist groß: "Note 4 für den Gänsemarkt - und eine 5 für den Markt am Gerhart-Hauptmann-Platz." Hamburg habe es nicht verdient, dass der Geruch uniformer Fressmeilen neben Buden mit weihnachtlichen Holzschnitzereien wehe, sagt Cornelia Poletto.