Opposition, Elternrat und Gemeinden lehnten beim Bildungsgipfel im Landtag Reformpläne von Kultusminister Althusmann ab

Hannover. Niedersachsen steht vor einer umfassenden Schulreform: Haupt- und Realschulen werden als Reaktion auf den Rückgang der Schülerzahlen mittelfristig zur neuen Oberschule zusammengelegt. Ihr erklärtes Ziel aber, einen langfristigen Schulfrieden durch Einbindung von Opposition und möglichst vielen Verbänden zu schmieden, hat die CDU-FDP-Landesregierung unter Ministerpräsident David McAllister nicht erreicht.

Am Ende des zweiten Bildungsgipfels im Landtag lehnten nicht nur die Oppositionsparteien SPD, Grüne und Linke den Vorschlag von Kultusminister Bernd Althusmann (CDU) rundweg ab. Schwerer aber dürfte wiegen, dass es der Regierungskoalition nicht gelungen ist, den Landeselternrat und die kommunalen Spitzenverbände auf ihre Seite zu ziehen.

Der Osteroder Landrat Bernhard Reuter (SPD) sprach für den Landkreistag von einem grundsätzlichen Kritikpunkt: "Die Forderung aller Spitzenverbände, vierzügige Integrierte Gesamtschulen zuzulassen, ist nicht aufgegriffen worden." Das bedeute vor allem ein Problem für die ländlichen Räume mit stark rückläufigen Kinderzahlen.

Das von den Regierungsfraktionen geplante Reformmodell sieht vor, dass künftig die Schulträger Haupt- und Realschulen, aber auch Kooperative Gesamtschulen zusammenlegen können - zu mindestens zweizügigen Oberschulen bis zum Ende der 10. Klasse oder bei Dreizügigkeit mit einem Gymnasialzweig bis zum Abitur nach 13 Jahren.

Nachdem CDU und FDP im Vorfeld immer wieder klargemacht hatten, die neue Oberschule dürfe die Existenz des Gymnasiums nicht gefährden, knüpft das Kultusministerium jetzt die Erlaubnis zur Einrichtung eines Gymnasialzweiges an einer Oberschule an die Zustimmung des Schulträgers für das jeweilige Gymnasium vor Ort.

"Massive Kritik" gibt es seitens der kommunalen Spitzenverbände auch daran, dass die Kommunen vor der Gründung von Oberschulen mindestens 52 Schüler je Jahrgang auf zehn Jahre im Voraus nachweisen müssen und für die Einrichtung eines Gymnasialzweigs sogar 79 Schüler.

Für Landrat Reuter ist klar: "Deshalb werden eine ganze Reihe von Haupt- und Realschulen nicht umgewandelt werden können." Damit aber würde die Schulreform ihren Hauptzweck verfehlen. Die Anmeldezahlen für die Hauptschulen sind auf unter zwölf Prozent der Kinder eines Jahrgangs gesunken. Damit aber können zahlreiche Hauptschulstandorte in der Fläche bei Einzügigkeit und mit teils weniger als zehn Schülern je Klasse nicht erhalten werden.

Im Vorfeld hatte als einzige Lehrerorganisation der Philologenverband als Vertretung der Gymnasiallehrer gegen die einfache Errichtung neuer Oberschulen inklusive Gymnasialzweig Front gemacht mit der ausdrücklichen Begründung, dies gefährde mittelfristig den Bestand von Gymnasien.

Als Redner auf der Jahrestagung des Verbandes in der Vorwoche sprach dann Walter Scheuerl, Mitorganisator der Initiative, die die Hamburger Schulreform per Volksentscheid gekippt hat. Dessen Einladung, so der Philologenverband, sei ein Signal: "Wir werden Aktionen an allen Orten durchführen, wo Gymnasien gefährdet sind." Aus Koalitionskreisen war gestern zu erfahren, es sei vor allem der kleine Koalitionspartner FDP gewesen, der den Vorrang für die Gymnasien zementiert habe.

Die schulpolitische Sprecherin der SPD, Frauke Heiligenstadt, kritisierte: "Der Kultusminister bleibt jetzt hinter seinen eigenen Kompromissvorschlägen zurück." Die schulpolitische Sprecherin der Grünen, Ina Kortner: "Statt die Schikanen für neue Gesamtschulen abzubauen, schwadroniert der Minister über eine neue Schule, die niemand braucht." Die Oppositionsparteien wollen wie der Landeselternrat und die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, dass neue Gesamtschulen nicht mehr mindestens fünfzügig sein müssen, sondern auch mit nur vier Klassen je Jahrgang gegründet werden können. Der schulpolitische Sprecher der FDP-Regierungsfraktion, Björn Försterling, sagte, dass aus seiner Sicht die Diskussion beendet ist: "Wir haben die Segel richtig gesetzt und sind auf Kurs."

Klar ist aber auch: Im Falle eines Regierungswechsels bei der Landtagswahl in zwei Jahren wird es erneut eine Schulstrukturreform geben.