Aus Kneipen und Spielhallen sind sie längst verschwunden: Flipper. In der Vegas Lounge in Hamm wird der Kult der 70er weiter gepflegt.

Hamm. Gib mir die Kugel! Mit gewinnendem Lächeln, die Beine leicht gespreizt, stehst du vor dem Kasten - cool bis ins Mark. Lässig schnippst du am Katapult, so wie Tausende Male zuvor, und donnerst die glänzende Stahlkugel mit der genau richtigen Kraft-Dosierung über die Rampe nach oben. Heute ist dein Tag. Von drei Jahrzehnten Kunstpause nix zu spüren. Jeder Handgriff sitzt. Nun zeigt sich, was ein Flippermeister alter Klasse ist: Lustvoll lässt du die Kugel tanzen, nur mit deiner Mittelfinger Geschick. "Klong" macht es, wenn sie an die oberen Hindernisse stößt, "kräck", "flopp" oder "blipp", wenn sie gegen die Türmchen an der Seite prallt. Und ein sattes "Zachatt" ertönt, wenn du das kleine Monster rechts oben abballerst. Es blinkt in allen erdenklichen Farben. Glocken klingen, es rasselt und surrt, und aus dem Nirwana der Elektronik gibt die tiefe Stimme eines Außerirdischen galaktisches Gebrumm von sich. Ganz weit weg ist der Alltag.

Eine Million Punkte sind beisammen. Der wuchtige, schräg gestellte Kasten mit den vier Beinchen ist dein. So wie einst, als die Damenwelt in Eppendorfs Spelunken dem ungekrönten Flipperkönig zu Füßen lag. Zumindest gefühlt - nach dem x-ten Bier. In Wahrheit ist es wie heute: Es interessiert so recht keine, was du am Flipperkasten treibst. Das Glücksgefühl findet vorzeitig ein jähes Ende: Diese verfluchte Kugel nimmt eine andere Laufbahn als gedacht. Von einem unflätigen Fluch begleitet, rast sie ins Niemandsland. Den beiden Nachfolgerinnen ergeht's nicht besser. Ausgespielt. "Deine großen Flippertage sind passé, Depp!", signalisiert das Kleinhirn. Andere können es besser.

Kann man wohl sagen. Bei der Meisterschaft des Vereins Deutscher Flipperfreunde in der Vegas Lounge an der Eiffestraße in Hamm zeigten 64 Flipperfreaks aus ganz Deutschland, was man alles mit den längst schon legendären Kisten anstellen kann.

Der Mythos lebt. Aus fast allen Bundesländern sind sie nach Hamburg gekommen, um den Flipperkönig zu ermitteln. Im Umkreis von Chicago schufen namhafte Unternehmen wie Bally/ Williams wahrhaftige Wunderapparate rasselnder Spielkultur. Anspruchsvolle Tische der Firma Gottlieb wie Genie mit gleich fünf Flipperfingern oder Black Hole mit sechs Schlägern und einer zweiten, unteren Spielfläche hielten selbst professionelle Flippervirtuosen in Atem. Irgendwann hat es dann "Knack" gemacht, und das ersehnte Freispiel war da.

"Diese Faszination ist ungebrochen", weiß Christian Bartsch, IT-Administrator und Präsident des Flippervereins. Der 42-Jährige aus Achim bei Bremen kam einst mit den Eltern im Harzurlaub auf den Trip: Langeweile, heimlich in die Spielothek, halbes Taschengeld weg. 1994 kaufte er sich den ersten Flipper. Heute stehen acht in seiner Wohnung. Ebenso viele dieser Freizeitgeräte besitzt Matthias Flügge, selbstständiger Elektromeister aus Poppenbüttel. Nach dem letzten Kauf zeigte Ehefrau Heike die Gelbe Karte: "Jetzt reicht's!"

Gut für Frau Flügge, dass sie nicht Stefan Hoppe geheiratet hat. Hoppe ist dem Bazillus des Flipperns vollumfänglich verfallen, hat seine Leidenschaft zum Beruf gemacht und hortet im Keller seiner Vegas Lounge gut 200 Flippergeräte. Mehr als 50 von ihnen sind absolut funktionsfähig und waren Basis der Meisterschaft. In seinem Bastelstübchen hortet er mehr als 10 000 Ersatzteile, um alten Kästen neues Leben einhauchen zu können.

Die Baisse des Flipperns Ende der 80er-Jahre war Hoppes Glück. Geld gab es kaum für die wartungsanfälligen Elektronikkästen, sodass Kneipiers und Spielhallenbetreiber froh waren, wenn einer die schweren Apparate kostenlos abholte. Neue Flipper werden nur noch von der Firma Stern in den Vereinigten Staaten produziert. Die Konkurrenz ging Konkurs.

Dass in Pinten und Daddelhallen kaum noch Flipper stehen, hat zwei Gründe. Erstens steht die jüngere Generation mehr auf Video- oder Computerspiele. Zweitens kassiert das Finanzamt in Hamburg zwischen 50 und 80 Euro Steuern pro öffentlich betriebenem Flipper. Monatlich. "Bei Einnahmen von 50 Cent für jedes Spiel mit drei Kugeln rechnet sich das nicht", weiß Hoppe. Entsprechend hat sich das flippernde Vergnügen in Hobbykeller und Wohnzimmer verlagert. Restaurierte Kästen kosten zwischen 2000 und 7000 Euro. Ersatzteile werden in der Szene getauscht; einer hilft dem anderen.

Und zweimal im Jahr geht's gemeinschaftlich zur Sache. Im Keller der 750 Quadratmeter großen Vegas Lounge finden Flipperfreunde ihr Dorado. 64 Klubmitglieder, darunter viele junge Leute, wenige Frauen, einige in Ehren ergraute Veteranen flippern, was das Zeug hält. Apparate mit klangvollen Namen wie Medieval Madness, Pinball Wizard, Addams Family oder Indiana Jones locken zum Duell. Am Ende sind Ergun Erdemir aus Paderborn als Erster sowie Peter Scheldt aus Magdeburg und der Hamburger Olaf Schuhmann am längsten am Drücker. Weit nach Mitternacht werden die Pokale überreicht. An Helden der Freizeit, deren Fingerfertigkeit die Kugel minutenlang im Spiel hält. Nur wer mit allzu viel Körpereinsatz am Kasten rüttelt und schiebt, sieht die Rote Karte des Flippers: Tilt!