Thomas Straubhaar, 53, Direktor des Hamburgischen WeltWirtschaftsInstituts

1. Hamburger Abendblatt:

Ist es ethisch zu verantworten, dass Deutschland immer stärkere Wirtschaftsbeziehungen zu China aufnimmt?

Thomas Straubhaar:

Ja, auch wenn Themen wie die Menschenrechte, die Zukunft Taiwans oder Tibets unerledigt sind. Denn aus dem Austausch mit dem Ostblock wissen gerade die Deutschen, was sich durch Dialog erreichen lässt. Je mehr der Wohlstand steigt, je eher werden die Chinesen auch bei den Menschenrechten zugänglicher werden.

2. Macht sich die deutsche Wirtschaft nicht zu abhängig von China?

Straubhaar:

Das ist eine Sorge, die ich teile. Die Absatzmöglichkeiten in einem Staat mit 1,3 Milliarden Menschen wirken auf viele Unternehmen wie ein Magnet. Außerdem kaufen die Chinesen gern deutsche Qualität. Sie wissen genau, wie wichtig sie als Absatzmarkt sind und nutzen dies. Sie werden auf Technologietransfer, Zusammenarbeit mit chinesischen Partnern bestehen und darauf, viele Arbeiten im eigenen Land zu erledigen. Wer nicht aufpasst, dem gleitet das Geschäft aus der Hand.

3. Was wäre denn dazu eine Gegenstrategie von der deutschen Seite?

Straubhaar:

Immer intelligentere Produkte und Problemlösungen und dass deutsche Firmen auf andere Länder setzen. Indiens Bevölkerung wird bald größer sein als die chinesische. Die Türkei ist das nächstliegende Land, in dem die Zahl der Bewohner steigt. Dazu kommen Vietnam, Korea, die Philippinen, Mexiko, Brasilien und Russland.

4. Ist es richtig, der chinesischen Containerreederei Cosco eine Beteiligung an einem Hamburger Terminal anzubieten?

Straubhaar:

Das ist ein Glücksfall für Hamburg. Denn das Engagement würde weit über die Kapitalbeteiligung hinausgehen. Die größte chinesische Containerreederei positioniert sich klar für den Standort Hamburg und wird dies langfristig durchhalten. Damit wird die Hansestadt weiter das Tor für Waren aus China für Europa bleiben. Hamburg bleibt also als Handelsdrehscheibe im Spiel.

5. In welchen industriellen Bereich wird China am schnellsten an Deutschland vorbeiziehen?

Straubhaar:

Dieser Gefahr stehe ich gelassen gegenüber. Auch als die Japaner Ende der 70er-/Anfang der 80er-Jahre auf den Weltmarkt drängten, hat sich schnell gezeigt, dass Nachahmen einfacher ist, als an die Spitze einer Technologie zu rücken. Deutschland hat eine der besten Ausbildungen, gute Ingenieure, die Struktur mit kleinen und mittelständischen Firmen und eine Tradition im Unternehmertum. Wenn dies alles zusammenspielt, wird Deutschland auch künftig bei neuen Produkten vorn sein - selbst wenn China aufholt.