Die Behörde nimmt noch bis Montag Bewerbungen für den Schulversuch, nach Primarschulkonzept zu unterrichten, an. Jetzt droht neuer Streit.

Hamburg. Vier Monate nach dem Volksentscheid haben die ersten Grundschulen einen Schulversuch beantragt, um nach dem Primarschulkonzept bis mindestens zur sechsten Klasse zu unterrichten. "Uns liegen mehrere Anträge vor", bestätigte die Sprecherin von Schulsenatorin Christa Goetsch (GAL), Brigitte Köhnlein, am Freitag auf Anfrage. Weitere Details wollte sie mit Verweis auf die laufende Anmeldefrist nicht nennen. Noch bis Montag können sich Schulen für das kommende Schuljahr bewerben. Die Schulbehörde geht davon aus, dass es bis zu zehn Schulen sein werden.

Die Schule Rellinger Straße in Eimsbüttel hat ihren Antrag am Freitag abgeschickt - wenige Stunden nach einem einstimmigen Beschluss der Schulkonferenz. "Wir arbeiten schon seit mehreren Jahren mit neuen Lernformen und wollen das weiterführen", sagte Schulleiterin Petra Stumpf. Nach Abendblatt-Informationen will sich auch die Schule Vizelinstraße in Lurup um einen Schulversuch für eine sechsjährige Grundschule bewerben. Konkrete Überlegungen gibt es in den Schulen Ohrsweg (Neugraben-Fischbek) und Lange Striepen (Hausbruch).

Alle Standorte gehören zu den 23 sogenannten Starterschulen, die auf Grundlage einer Sonderreglung in diesem Schuljahr einen fünften Jahrgang eingerichtet hatten. Schon im Sommer war um die Zukunft dieser Schulen ein politischer Streit entbrannt. So hatte der Sprecher der Volksinitiative "Wir wollen lernen", Walter Scheuerl, vor einer "Einführung der Primarschule durch die Hintertür" gewarnt und mit juristischen Schritten gedroht. Nun droht neuer Streit. "Wenn es nur einige wenige Schulen sind, die meinen, sie müssten es versuchen, werden wir nichts unternehmen", sagte Scheuerl am Freitag. "Wenn die Schulbehörde aber flächendeckende Schulversuche genehmigt, ist das klar gegen den Volksentscheid und rechtswidrig."

In den Starterschulen zeigt man sich unberirrt. "Es geht uns nicht um ein politisches Signal", sagte Schulleiterin Stumpf. "Wir tun, was für unsere Schule Sinn macht." Derzeit werden 24 Fünftklässler in jahrgangsübergreifenden Lerngruppen unterrichtet. "Dass es so gut läuft, hat uns bestärkt, den Antrag zu stellen", sagte Stumpf. Monatelang war das Konzept diskutiert worden. Neben dem reformpädagogischen Lernmethoden sieht es auch Kooperationen mit weiterführenden Schulen vor, um den Übergang in die sechste Klasse zu regeln. Auch die Elternschaft ist mit im Boot. Bei einer Befragung hatte sich eine deutliche Mehrheit für den Schulversuch und die Weiterführung des längeren gemeinsamen Lernens ausgesprochen. "Nach dem Aus für die Primarschulpläne darf es keine Verbote geben, dass Schulen sich weiterentwickeln", betonte die Elternratsvorsitzende Stefanie von Berg.

Ähnlich ist die Stimmung an den anderen Schulen. "Uns geht es darum, für jeden Schüler Bedingungen für einen bestmöglichen Bildungsabschluss zu schaffen", sagte die Leiterin der Schule Vizelinstraße. Auch sie verweist auf den eindeutigen Elternwunsch, die Grundschule bis zur sechsten Klasse weiterzuführen - "auch wenn es nicht mehr Primarschule heißt." An der Schule Ohrsweg gehen die Überlegungen sogar noch weiter. "Wir denken darüber nach, im Verbund mit einer weiterführenden Schule eine enge Verzahnung von der Grundschule bis zum Abitur zu gewährleisten", sagte Schulleiter Rüdiger Vincenz. Auch an der Schule Lange Striepen laufen die Gespräche kurz vor der Anmeldefrist auf Hochtouren. "Ein Modell ist die sechsjährige Grundschule, möglich ist aber auch eine Kooperation", sagte Schulleiterin Gudrun Wolters-Vogeler.

Für die Schulbehörde bergen die Anträge einige politische Brisanz. Schulsenatorin Goetsch hatte zuletzt immer wieder betont, sich an das Ergebnis des Volksentscheids zu halten. Das Thema Primarschulen sei erledigt. Mit den geplanten Schulversuchen ist das Thema aber unversehens wieder auf dem Tisch. "Wir werden die Anträge prüfen", sagte Sprecherin Köhnlein. Noch sei völlig offen, wie viele Genehmigungen es geben werde.

Die Voraussetzungen für einen Schulversuch regelt Paragraf 10 des Hamburger Schulgesetzes. Danach dienen Schulversuche dazu, "das Schulwesen pädagogisch und organisatorisch weiterzuentwickeln". Bis Januar muss eine Entscheidung fallen. Anfang Februar beginnt die Anmelderunde für die weiterführenden Schulen.