Seit Generationen prägen Häuser aus rotem Backstein Hamburgs Stadtbild. Mit finanziellen Anreizen will die Stadt dieses Bild bewahren.

Hamburg. So ein roter Backstein ist genau 22 Zentimeter lang und 10,5 Zentimeter breit und wird "Hamburger Format" genannt. Und er bestimmt das Bild der Stadt . Zigtausende Häuser sind mit diesem Stein gebaut. Zusammen mit den weißen Alster- und Elbvillen machen sie Hamburg zur stolzen, rot-weißen Stadt - entsprechend den Landesfarben. Bei den Steinen kommen Architekten ins Schwärmen: "Der Ziegel ist das rote Gold des Bauens. Die von Fritz Schumacher erbauten Stadtteile sind für mich mindestens so wertvoll wie die weißen Quartiere von Berlin", sagt der Hamburger Architekt Bernhard Winking.

Doch viele der so typischen roten Fassaden sind hinter Kunststoffhüllen verschwunden, weil die Häuser aus Klimaschutzgründen umgerüstet werden. Hamburg ist dabei, Stück für Stück sein rotes Gesicht gegen blasse Allerweltsfassaden auszutauschen.

Eine Entwicklung, die die Stadt stoppen will: mit einem Verein und finanziellen Anreizen. Die Umweltbehörde plant, die Förderung der Fassadensanierung mehr als zu verdreifachen - wenn nicht billige Plastikblenden, sondern Rotklinker verwendet werden. "Wir denken daran, Klinker mit bis zu 50 Euro pro Quadratmeter zu fördern", sagte Oberbaudirektor Jörn Walter dem Abendblatt. Wer heute eine Backsteinfassade saniert, erhalte maximal 15 Euro. Auch unter den klimatisch notwendigen Veränderungen müsse das Backsteinbild unter Beachtung sozialer Ziele Hamburgs erhalten bleiben.

Jörn Walter weiter: "In der Praxis soll der Verein das angemessene Verfahren einer Fassadensanierung qualifiziert beurteilen. Auf Basis seiner Empfehlung wird dann im Einzelfall die Sanierung gefördert."

Eine Backstein-Vorsatzschale (ganze Steine) oder Riemchen (dünne Klinker) kosteten zwar deutlich mehr Geld, würden aber heute nicht extra gefördert. "Die höheren Kosten sollen stärker gefördert werden, damit derjenige, der etwas für das Stadtbild tut, auch einen ökonomischen Anreiz hat", sagt Jörn Walter.

Positive Stimmen kommen aus der Wohnungsbauwirtschaft. "Das ist ein guter Ansatz, und die höhere Förderung wird die Chance erhöhen, dass Klinker verwendet werden", sagt Frank Holst von Aug. Prien.

Neben Verein und mehr Fördergeld fordern Architekten, wie die BDA-Chefin Karin Loosen, weitere Lösungen, wie die Nachverdichtung von Quartieren - also Wohnungsbau innerhalb von Siedlungen, um mit dem Erlös aus dem Wohnungsverkauf oder der Miete aufwendigere Sanierungen alter Gebäude bezahlen zu können. Auch das diene dem Erhalt des Stadtbildes.

Der Verein entstand aus einem runden Tisch unter Leitung von Oberbaudirektor Jörn Walter. Mit dabei "Schlüsselpersonen" (Behördentext) von Institutionen und Verbänden: von Wohnungsbauunternehmen, Fritz-Schumacher-Gesellschaft, der Architektenschaft, Denkmalschützern und von den Behörden. In dem neuen Heft "Handlungsempfehlungen zur Erhaltung der Backsteinstadt Hamburg" sind die Ziele genannt: Es soll ein "erster Schritt sein auf dem Weg, der Wohnungswirtschaft, Verwaltung, Politik einen Handlungsrahmen zu setzen, in welchem gestalterische, energetische, wirtschaftliche, soziale und gesellschaftliche Aspekte gleichermaßen berücksichtigt werden".

Denn das Problem liege nicht nur in der Gestaltung, sondern auch in den Klimazielen, die sich Hamburg auf seine rot-weiße Fahne geschrieben hat.

Die "Anforderungen des Klimaschutzes" werden "das Baugeschehen grundlegend verändern", heißt es in dem Heftchen. Und weiter (für ein Behördenpapier ungewohnt deutlich): "Einzelne Gebäude, ganze Straßenzüge und Quartiere verschwinden hinter Thermohäuten, deren gestalterische Qualitäten in vielen Fällen nicht denen der Originalfassaden entsprechen." Karin Loosen nennt als Beispiele die Stadtteile Hamm und Horn, die "früher einmal rot waren".

Das Problem der roten Klinker: Die gemauerten Wände, besonders der Nachkriegsbauten, liefern nur eine relativ schlechte Dämmung und ziehen auch durch die Fugen leicht Feuchtigkeit. Und die Lösung?

Der BDA schlägt ein weit aufgefächertes Programm vor. "Einer der wichtigsten Punkte ist die Einbeziehung und die Information der Bewohner", sagt Karin Loosen. "Wir müssen die Hamburger bei der Architektur- und Städtebauentwicklung mitnehmen." Sie hat mehrere Forderungen formuliert:

Die historisch bedeutungsvollen Bauten zum Beispiel von Fritz Schumacher und von Gustav Oelsner, der als Bausenator in Altona von 1923 bis 1933 ganze Viertel im Backsteinstil errichtete, müssen erhalten werden. "Da müssen wir dann eben die Fugen sanieren und die Gebäude von innen dämmen", sagt Karin Loosen. "Das ist aufwendig, weil die Bewohner während des Umbaus woanders wohnen müssen."

Während die Schumacher-Quartiere dicht (eng) und nachhaltig gebaut sind, treffe dies für die ebenfalls mit Rotklinkern gebauten Nachkriegssiedlungen überwiegend nicht zu. Aber auch diese Gebäude seien Energieverschwender. Und bei vielen würde sich die rote Fassade nicht erhalten lassen. Hier müsse man "verdichten", fordert der BDA. Das heißt: Weil die Siedlungen locker gebaut sind, können auf den Flächen zwischen den Gebäuden weitere entstehen. Oder die Häuser werden aufgestockt. "Wenn man sich zur Verdichtung durchringt, bieten sich auch teurere Lösungen an, denn mit den neuen Wohnungen kommt Geld in die Kasse", sagt Karin Loosen. Und mit diesem Geld könne man dann die alten Fassaden so sanieren, dass der Eindruck der roten Stadt erhalten bleibe.

Dahinter stecke auch ein generelles Problem. "Hamburg hat in vielen Quartieren im internationalen Vergleich zu wenig Dichte", so Loosen. Das betreffe ausdrücklich nicht die Wasser- oder grünen Freiflächen, sondern die Siedlungsflächen selbst und sei schwer zu vermitteln.

Dass es in Hamburg so viele Backsteinbauten gibt, hat übrigens ganz praktische Gründe. Es gibt in der näheren Umgebung nämlich kaum Natursteinvorkommen. Da der Transport der Steine aus weit entfernten Regionen viel zu teuer war, griffen die Hamburger (und fast alle Bauherren in ganz Norddeutschland) auf den Backstein zurück.

Altkanzler Helmut Schmidt: "Zur hamburgischen Tradition gehört, dass den über Elbe und Alster weit herausragenden Türmen der großen Kirchen und des Rathauses keine Wolkenkratzer Konkurrenz machen; dass man seine Beton- oder Stahlbauten solide mit doppelt gebranntem Backstein umkleidet."

Professor Hermann Hipp, Uni Hamburg: "Hamburg ist eine Stadt in Weiß und Rot. Fritz Schumachers Kunst war es, auch im einzelnen Ziegel eine musikalische Stadtgestalt erreicht zu haben. Alles klingt: vom einzelnen Ziegel bis zum großen Bau. Mit dem Verlust der Backsteinfassaden verschwindet der Grundton aus Hamburg."

Christine Ebeling, Sprecherin der Gängeviertel-Initiative: "Es ist erfreulich, dass die Hansestadt Hamburg nicht nur an den leuchtenden Vorzeigepunkten der Stadt, sondern auch im Kleinen - zum Beispiel bei den Wohnvierteln mit Rotklinker-Fassaden - den Wert der eigenen Stadtgeschichte erkannt hat."