Eine Glosse von Nico Binde

Na? Schon vor der Tür gewesen? Da bläst es ja gerade gewaltig, und man könnte meinen, halb Hamburg hat sich an die alttestamentarische Bibelpassage "Denn sie säen Wind und werden Sturm ernten" gehalten. Jedenfalls hat die Sturmsaison begonnen. Seit Tagen pfeift der Wind durch die Ritzen und zerzaust in den Straßen das penibel ondulierte Haupthaar argloser Spaziergänger. Womit wir beim Thema wären. Frisuren im Wind oder besser: Wind in Frisuren.

In wohl keiner anderen Stadt müssen sich Haare so viel von dicht beieinander liegenden Isobaren gefallen lassen wie in Hamburg. Besonders im Herbst steigt die Zahl der Verzweifelten, die morgens mühevoll jedes Haar einzeln hinbiegen, nur um beim ersten Schritt vor die Haustür von einer Windböe erfasst und ihrer Frisur-Ambition beraubt zu werden.

Und das ist - weiß Gott - kein exklusives Frauenproblem. Die Anblicke im morgendlichen U-Bahn-Schacht legen davon Zeugnis ab. Dort erreichen vormals akkurat geschniegelte Anzugträger den Bahnsteig mit imposanter 80er-Jahre-Tolle - vom Gegenwind unerbittlich in Form gepeitscht. Andere schützen den Schopf gleich mit Mütze, ungeachtet der Tatsache, das Ding spätestens im Büro wieder absetzen zu müssen. Und dann schleppen sich noch all jene - zu denen ich mich auch zähle - zur Bahn, die ihre Frisur angesichts der Naturgewalt aufgegeben haben. Intensiv vom Sturmtief bearbeitet, sieht diese, meine Spezies nach Verlassen der Windhölle aus wie ein geplatzter Marder.

Wenn Leute dann noch fragen, was mit meiner Nicht-Frisur passiert ist, halte ich es mit Donald Trump: "Ich habe aufgehört, meine Haare nach vorn zu kämmen, ich kämme ab sofort mein Gesicht nach hinten."