Der Apotheker Dr. Gerd Glaeske, 65, hat an der Uni Bremen eine Professur für Arzneimittelversorgungsforschung.

Hamburger Abendblatt:

1. Werden Kranke in Deutschland vom gestern beschlossenen Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz profitieren?

Gerd Glaeske:

Nein, Kranke werden bisher schon mit Arzneimitteln gut versorgt. Das bleibt so. Das Problem ist eher, ob Ärzte die richtigen Mittel in der richtigen Dosierung verordnen.

2. Sehen Sie ein Problem darin, dass Ärzte nicht die richtigen Mittel verschreiben?

Glaeske:

Das ist seit Langem deutlich erkennbar. Im Sachverständigenrat waren die Über-, Unter- und Fehlversorgung immer ein wichtiges Thema. Diese sogenannte ärztliche Versorgungsqualität ist aber nicht davon abhängig, was jetzt gesetzlich neu geregelt worden ist.

3. Ist der von Ihnen beschriebene Missstand denn per Gesetz oder Verordnung zu beheben?

Glaeske:

Es wäre gesetzlich regelbar, indem man die Transparenz der Arzneimittelangebote fördert und so den Ärzten eine bessere Chance gibt, aus einem Angebot positiv bewerteter Mittel zu wählen. Leider sind zwei Versuche, eine sogenannte Positivliste durchzusetzen, gescheitert. Dabei hätte man damit die Mittel hervorheben können, die tatsächlich einen nachgewiesenen Nutzen für die Patienten haben.

4. Trotz hoher Preise landen viele Medikamente ungenutzt auf dem Müll. Fehlt es den Versicherten an Verantwortung?

Glaeske:

Viele Patienten wissen nicht, warum sie die Mittel nehmen müssen. Hier geht es um die Informationsgestaltung der Ärzte wie auch der Apotheker. Einem Patienten, der ein Asthmaspray verschrieben bekommt, muss erklärt werden, wie man es benutzt. Oft fehlen solche Informationen.

5. Ist es berechtigt, dass viele Pharmafirmen in Deutschland mehr berechnen als im Ausland?

Glaeske:

Nein. Doch bisher konnten die Hersteller die Preise für neue Mittel selber festlegen. Die gesetzliche Krankenversicherung hatte kaum eine Chance zu intervenieren. Das wollte Minister Rösler ändern. Doch im neuen Gesetz setzt er bei den Preisverhandlungen auf Studien, die den patientenorientierten Nutzen gar nicht zeigen.