250 Beschäftigte müssen nach Übernahme durch Telefónica gehen. Der Sozialplan steht - HanseNet-Chef schließt Kündigungen nicht aus.

Hamburg. Bei HanseNet geht die Angst um. In der nächsten Woche werden die ersten Einzelgespräche mit den Mitarbeitern beginnen. Hinter verschlossenen Türen werden die Vorgesetzten ihnen Abfindungen anbieten, einigen soll auch ein Umzug nach München schmackhaft gemacht werden. 250 von 900 Beschäftigten in Hamburg müssen gehen . Denn der HanseNet-Käufer Telefónica will die Hamburger in den nächsten Monaten mit seiner Mobilfunktochter O2 verschmelzen.

Am Freitag wurde der Sozialplan unterschrieben. "Es ist unser Ziel, betriebsbedingte Kündigungen zu vermeiden", betonte HanseNet-Chef Lutz Schüler in einem internen Schreiben, das dem Abendblatt vorliegt. Im Klartext: Kündigungen sind nicht ausgeschlossen. Vorgesehen seien aber zunächst "Abfindungen bei Abschluss eines Aufhebungsvertrags, Unterstützung bei Versetzungen an andere Standorte sowie umfassende sogenannte Outplacement-Beratungen (Unterstützung bei der beruflichen Neuorientierung) bei Austritt aus dem Unternehmen", heißt es darin weiter. Die Arbeitnehmervertreter bei HanseNet haben den Plan unterzeichnet, sind aber verärgert, dass über Zentralfunktionen wie Rechts- oder Personalabteilungen hinaus weitere Bereiche wegfallen sollen, wie das Neukundenteam.

Die HanseNet-Zentrale in der City Nord wird entmachtet

Es ist nicht die erste schwierige Phase für die Hamburger. In den Büros in der City Nord machten sich über Jahre Abordnungen der wechselnden Muttergesellschaften breit, aus Italien, aus Spanien. Unternehmensberater kamen und gingen. Allerdings ist die jetzige Veränderung eine endgültige. Das Hamburger Unternehmen verliert seine Zentrale. Die Entscheidungen werden bald in München fallen, am Sitz des einstigen Konkurrenten O2.

Im April 2011 soll die Firma HanseNet ganz verschwinden. Insgesamt fallen bei O2 im Zuge der Eingliederung 1100 Stellen weg. Was bleiben wird, ist die Werbeschönheit Vanessa Hessler - sie soll auch noch für O2-Produkte werben, wenn es die Marke "Alice" 2012 nicht mehr gibt. Für die Kunden ändert sich also weniger als für die Mitarbeiter.

Die Unruhe ist auch bei den HanseNet-Beschäftigten spürbar, die weiter ihren Arbeitsplatz behalten sollen - so will das Unternehmen gut 600 Stellen mit direktem Kundenbezug in Hamburg sichern. Schon mehr als einmal ist eine Integration gescheitert. 2006 stürzte sich HanseNet mit der Übernahme des AOL-Internetzugangsgeschäfts ins Unglück. Auf dem Chefsessel wechselten die Gesichter anschließend so schnell wie in einem Daumenkino, die Verschuldung wuchs. Nach dem Fall von Harald Rösch sandte 2008 die neue Mutter Telecom Italia den Spanier Carlos Lambarri, der in der Hansestadt im Hotel wohnte. Schon zehn Monate später kam Paolo Ferrari, der nicht einmal Deutsch sprach. Trotz dieser kurzen Verweildauer seiner Vorgänger überraschte den jetzigen HanseNet-Lenker Lutz Schüler die Nachricht, dass auch er das Unternehmen verlassen muss. Dabei war im Flurfunk schon länger zu hören, dass der smarte Marketingprofi nicht die beste Beziehung zu O2-Chef René Schuster haben soll.

Trotz der kurzen Halbwertszeit seines Managements und eines wachsenden Schuldenberges konnte sich HanseNet im umkämpften Festnetzmarkt zwischenzeitlich durchsetzen. Die Idee hinter dem Erfolg war so genial wie einfach: HanseNet schaffte es erstmals, ein so sprödes Produkt wie einen DSL-Anschluss zu einer emotionalen Marke zu machen, sie mit der attraktiven Römerin Vanessa Hessler ("Alice") zu vermenschlichen. In der Hansestadt besitzt heute jeder zweite Haushalt einen Alice-Anschluss, bundesweit schafften es die Hamburger im DSL-Geschäft mit gut zwei Millionen Festnetzkunden auf Platz vier hinter der Telekom, Vodafone und 1&1. Auf diese Festnetzverträge hat es die Telefónica bei HanseNet auch abgesehen, denn ihre Tochter O2 ist eher im Mobilfunkgeschäft erfolgreich und wird bald auch das iPhone in seinen Shops anbieten.

Auch wenn so mancher HanseNet-Beschäftigte einen schleppenden Informationsfluss aus Spanien über die Zukunft ihres Unternehmens beklagt: HanseNet fällt einem Unternehmen zu, das zu den erfolgreichsten der Branche gehört. Telefónica ist nach dem Gewinn der zweitgrößte Telekommunikationsanbieter weltweit. Auf Lob stößt ihre Strategie, sich angesichts gesättigter westlicher Märkte in Schwellenländern zu engagieren. So hat der Konzern auch die Flaute in der Heimat Spanien abfedern können. Für die etablierten Märkte müssen sich die Firmen allerdings einiges einfallen lassen. In Deutschland sind die Preise für das Telefonieren seit den 90er-Jahren um 90 Prozent gesunken. Neben dem großen Spieler Telekom haben sich aus Vodafone/Arcor und Telefónica/O2 bereits schlagkräftige Gruppen gebildet. Es kämpfen aber auch noch kleinere Anbieter wie freenet, QSC oder E-Plus um Marktanteile.

Die Konsolidierung auf dem deutschen Markt ist noch nicht am Ende

"Insbesondere im Mobilfunk und bei den Breitbandangeboten wird sich der Preiskampf fortsetzen", sagt Jochen Reichert, Analyst von M.M. Warburg. Die mittelständischen Telekommunikationsfirmen werden diesen Wettbewerb allein kaum überleben. Auch wenn es die Mitarbeiter, die jetzt von der Alster nach München umziehen müssen oder ihren Job verlieren, kaum trösten wird: HanseNet dürfte nicht der letzte regionale Anbieter sein, der bei einer Fusion Federn lassen muss.