Steve McQueen war Filmstar und “King of Cool“. Zu seinem 30. Todestag besuchten zwei Hamburger Reporter seine Witwe Barbara in Idaho.

Das Haus steht in einem Dorf namens Ketchum, neben einer Straße, die weiter in die Wälder führt und tief hinein in die Rocky Mountains. Mehr als sechs Stunden dauerte die Fahrt vom nächstgelegenen internationalen Flughafen hierher, immer Richtung Norden auf der Interstate 75. Es ist ein Holzhaus, zwei Stockwerke hoch, im Vorgarten stecken die "Stars and Stripes", die Farben Amerikas. Dieses Haus ist auch ein Versteck. "Wer sind Sie? Was wollen Sie hier?", ruft jemand. Eine schlanke Frau mit dunklen, langen Haaren erscheint im Eingang. Neben ihr bellt ein riesiger Labrador und wirft sich gegen das Fliegengitter. Willkommen in der Welt von Barbara McQueen.

Fast 30 Jahre lang hat sie es abgelehnt, mit Journalisten über ihren Mann zu reden. Ihr Mann: Steve McQueen, der "King of Cool", wie ihn Hollywood nannte. Sie hat sich selten öffentlich geäußert, egal, was in den Zeitungen stand. "Ich wollte ihn für mich haben, wollte meine Erinnerungen an unsere gemeinsame Zeit nicht teilen", sagt sie. Für die Öffentlichkeit mag McQueen ein Mythos sein, eine Legende, das Sinnbild des amerikanischen Rebellen. Eine Persönlichkeit, die heute noch Mode und Popkultur beeinflusst und mit der man für Uhren oder Autos Reklame machen kann. Selbst 30 Jahre nach seinem Tod verdient die Werbefigur McQueen mehr als sechs Millionen Dollar im Jahr. Für sie aber, seine Witwe, bedeutet er viel mehr: Er war die Liebe ihres Lebens.

Barbara McQueen ist eine scheue Frau. Sie ist vorsichtig, und sie hat das Gefühl, dass sie sich schützen muss. In einer Vitrine stehen drei Gewehre, ein Bärentöter, eine Schrotflinte. Unter ihrem Kopfkissen, das wird sie später erzählen, liegt stets ein schussbereiter Colt, Kaliber 38. Sie war einmal eine der schönsten Frauen, die von den Titelblättern der größten Magazine lächelte. Ihre Geschichte war wie ein Märchen, geschrieben für die Klatschspalten. Sie: Supermodel. Er: der bestbezahlte Schauspieler seiner Zeit. Berühmt aus Filmen wie "The Great Escape", "Bullitt" oder "Papillon".

Doch jener Steve McQueen, den Barbara Minty, 24 Jahre alt, Tochter eines Farmbesitzers aus Oregon, am 4. Juli 1977 kennen lernte, hatte kein großes Interesse mehr an Hollywood. Er wollte noch mal seinen eigenen Traum leben, ein ganz neues Leben beginnen, wollte unerkannt durch die Weite Amerikas fahren, mit seinen Kleinlastern und Motorrädern. "Er wollte einfach nur ein Mann sein", sagt sie und nennt ihn im Gespräch mehrfach "a man's man", den Urtyp eines Mannes. Der das Grundstück seiner Ranch selbst mit dem Bulldozer planierte, der mit pöbelnden Trunkenbolden in einem Restaurant eigenhändig fertig wurde und der einem Anwalt die Nase brach, als eine Diskussion außer Kontrolle geriet. "Kommt mit, ich zeige euch das Haus!", sagt sie, geht voran.

Sie lebt in einer Art Museum ihres alten Lebens, selbst auf der Toilette gibt es Fotos von ihm. Neben dem Schlafzimmer befindet sich sein Büro. Ein altmodischer Sekretär steht an einer Wand. An ihm hat er gerne Drehbücher gelesen und sich dazu Notizen gemacht. Produzenten, die ihm ein Skript schickten, mussten einen Scheck in Höhe von 50 000 Dollar beilegen, eine Gebühr, die fällig wurde, selbst dann, wenn er das Manuskript ablehnte. Trotzdem kam jede Woche ein Drehbuch, denn jeder wusste: Ein Film mit McQueen in der Hauptrolle war wie eine Währung, so hart wie seinerzeit der amerikanische Dollar.

An der Wand hängt ein Gemälde, das eine Tankstelle zeigt und dahinter ein Haus. So einfach wollte McQueen leben, das war sein Wunsch, doch dann erkrankte er an Krebs.

In einem Regal sind alle Filme, in denen er mitspielte, als Videokassetten oder DVD einsortiert. Die meisten Hüllen sind noch verpackt. Barbara hat nicht einen einzigen angesehen. "Das verletzt meine Gefühle, es schmerzt einfach zu sehr. Das klingt jetzt vielleicht komisch, aber wir haben nie über Filme gesprochen", sagt sie. "Für mich hätte er auch Bäcker oder Gärtner sein können."

War der Macho McQueen zumindest manchmal ein Charmeur, brachte er Blumen mit? Sie beginnt sie zu lachen, lange und begeistert. "Steve? Blumen? Vielleicht hat er mal im Nachbargarten einen seltsamen Strauß gepflückt. Seine Art von Blumenstrauß war ein Sixpack Bier. Er kam durch die Haustür und rief: Honey! Ich habe uns ein paar Old Milwaukee mitgebracht." Auch sein Heiratsantrag lief nicht sonderlich romantisch ab. Sie schlenderten an einem Schmuckgeschäft in Los Angeles vorbei. Er ging mit ihr hinein, suchte zwei Ringe aus, dann raunte er: "Und, bist du jetzt zufrieden?"

Ihr Leben ähnelte einem Roadmovie. An manchen Tagen rief er: "Komm, wir fahren los", und dann saßen sie wenig später in einem seiner Pickup-Trucks und fuhren durch die Gegend, ohne Ziel, ohne Plan, ganz frei. Er hatte sich von der Glamourwelt Hollywoods abgewandt, zog am liebsten Hemden vom Wühltisch im Supermarkt an, rasierte sich selten und lebte seinen eigenen Traum. Als er die Leidenschaft für die Fliegerei entdeckte, zogen sie in einen Flugzeughangar. Im Wohnzimmer parkte ein Doppeldecker. McQueen sammelte Sportwagen, besaß mehr als hundert Motorräder, Hunderte Gewehre, Pistolen und Tausende Blechspielzeuge. Sie glaubt, dass er durch seine Kaufsucht seine fehlende Kindheit kompensieren wollte. Er, der seinen Vater nie kennengelernt hatte, sehnte sich vor allem nach Spielzeug. Vielleicht, weil er von seinen Eltern nie Geschenke bekam.

Ernste Themen ihrer Ehe lässt sie lieber weg. Steve McQueen konnte ein ruppiger Typ sein, mit dem man schnell in Streit geriet. Barbara McQueen war seine dritte Ehefrau. Mit der ersten, Neile, die er 1958 heiratete, zeugte er eine Tochter und einen Sohn, Terry und Chad. 1970 zerbrach die Ehe unter tragischen Umständen. Er betrog sie, sie betrog ihn - und am Ende schlugen sie sich. Steve drehte den Film "The Getaway" mit Ali McGraw und verliebte sich dabei in seine Filmpartnerin. Sieben Jahre später hielt er es auch mit Ali nicht mehr aus. Und er betrog sie mit Barbara. Die Witwe Barbara verpackt ihre Erinnerung daran lieber in eine niedliche Geschichte: "Steve wusste, ich liebe Kätzchen. Und immer, wenn wir uns sehr gezankt haben, kam er mit einer kleinen Katze auf dem Arm zu mir." Als er starb, hatte Barbara 13 Haustiere. "Er ist der Mann meines Lebens", sagt sie. "Sie werden nichts von mir hören, was ihm schadet. Ich weiß Dinge von ihm, da rollt es Ihnen die Fußnägel hoch. Aber die werde ich nie erzählen. Nicht, solange ich lebe."

Sie durchlitt Monate, in denen aus dem starken, charismatischen Mann, den sie kennengelernt hatte, ein sterbenskranker Patient wurde. Am 7. November 1980 starb McQueen in Mexiko, in der Klinik eines selbst ernannten Wunderheilers, der die Krankheit und ihre Metastasen mit alternativen Therapien besiegen wollte.

Sie war bei ihrem Mann, als er aus der Narkose aufwachte. Sie war die letzte Person, mit der er sprach. Doch bisher hat sie dazu geschwiegen: "Ich habe dazu noch nie etwas gesagt und ich werde dazu nichts sagen." Hier ist eine Linie, eine Grenze, die niemand überschreiten darf. "Verstehen Sie das? Dieser Moment gehört Steve und mir", sagt sie, "uns ganz alleine."

Am Ende unserer gemeinsamen Zeit in Ketchum, nach Tagen, an denen wir morgens anfingen, über Steve McQueen zu sprechen und erst nach Mitternacht damit aufhörten, reden wir doch über seinen Tod. "Vielleicht ist es Zeit, die Dämonen der Vergangenheit herauszulassen", sagt Barbara. Und zeigt etwas, das sie vorher noch niemandem gezeigt hat: Die Hochzeits-Bibel, die Steve und sie von seinem Fluglehrer Sammy Mason geschenkt bekommen hatten. "Ich habe sie manchmal an mein Herz gedrückt und bin mit ihr durch das Haus gegangen. Da war er immer ganz nah bei mir."

Ihre Stimme ist leise und stockt, als sie sagt: "Ich habe Steves Hand gehalten nach der Operation. Er war völlig benommen von den Betäubungsmitteln. Er hat viel geschlafen. Er hat etwas gemurmelt, doch man hat nichts davon verstanden. Steve ist nie wieder zu sich gekommen. Das ist alles. Das ist die ganze Wahrheit." Sie entschuldigt sich und kommt erst nach einer Weile wieder. Sie möchte an ihrem Geburtstag nach Alaska reisen und hat einige Freunde angerufen, mit der Frage, ob sie mitkommen mögen. Niemand hat Zeit. "Wäre Steve noch am Leben, hätte er gerufen: 'Okay, Honey, wann hast du gepackt? Ich hole schon mal ein paar Old Milwaukee aus dem Kühlschrank. Wir fahren in 15 Minuten los", meint sie, sieht traurig aus. "Wissen Sie was? Dafür vermisse ich ihn so sehr."