Mit Band zwei von “Sprechen Sie Hamburgisch?“ legt Peter Schmachthagen die lang ersehnte Fortsetzung des Bestsellers vor

Altstadt. Moin! Wer weiß, was ein Hoppenmarkslööv ist? Eine Klabatsch, 'n lütt Schlitzmatroos oder ein Klockenschooster? Wer, so wie bis vor Kurzem der Autor dieser Zeilen, hilflos mit den Schultern zuckt, braucht sich keine Sorgen zu machen. Denn die Lösung liegt so nah. Genau genommen im Buchladen um die Ecke: Ganz aktuell ist Band zwei von "Sprechen Sie Hamburgisch?" im Handel zu haben.

In bewährter Art erläutert Peter Schmachthagen Ausdrücke, Redensarten und Hamburgensien aus jener Zeit, als Großmutter 'n lütt Deern weer. Fantasievoll präsentiert, liebevoll formuliert und in der Regel mit einem Augenzwinkern garniert, ist das aktuelle Werk aus der Hamburger Abendblatt edition genau das Gegenteil eines drögen Lexikons. Vielmehr handelt es sich um ein norddeutsches Kleinod.

Ziel ist es, Erinnerungen an Sprache, Lebensweisen, Aberglauben, Speisen oder wunderschöne Details aus der Kindheit wach zu küssen. Hinzu kommen Kurzbiografien von verstorbenen Hamburgern, die mit der heimischen Sprache zu tun hatten. Denn viele Sätze und Wörter, aber auch Sitten und Gebräuche, sind längst aus unserer Sprache (und unseren Köpfen) verschwunden. Leider.

Unter dem Motto "Hamburgisch - binnen un buten" wurde vor einem Jahr im ersten Band Hamburgs Vergangenheit wieder lebendig. Mehr als 100 000 Käufer griffen zu, sodass innerhalb von sechs Wochen drei Auflagen gedruckt werden mussten. Peter Schmachthagen hatte die norddeutsche Seele getroffen. Weil Heimatliebe, hanseatisches Herz und Geschichtsgefühl offensichtlich stärker verwurzelt sind als vermutet.

Hinein also jetzt ins Lesevergnügen mit dem zweiten Band: "Hamburgisch - noch 'n beten mehr". Der zweite Teil enthält rund 1500 Begriffe und Redensarten, die sich in der ersten Ausgabe nicht unterbringen ließen. Mit dem Aap, dem Affen, fängt's an, mit Zunzeln (baumelnden Haarsträhnen) hört's auf. Dazwischen wird der Leser auf 432 Seiten lustvoll fündig.

Zum Beispiel bei den Afkaten, ehrbaren Mitgliedern der juristischen Zunft. Wagenrööd un Afkaten mööt smeert warrn, meinten unsere Altvorderen. Auf die Übersetzung wird an dieser Stelle aus rechtlichen Gründen verzichtet. Im Buch steht's drin. Wie auch die Hoppenmarkslöven, jene Gelegenheitsarbeiter, die sich für wenig Geld als Hilfskräfte auf dem Hopfenmarkt an der Nikolaikirche verdingten. Oft waren sie zerlumpt und total betrunken. Im Gegensatz zu den ein bisschen scherzhaft als Klockenschooster bezeichneten Uhrmachern. Dagegen ist die Einstufung als "Schlitzmatrose" keine Berufsbezeichnung, sondern gab den früher weit verbreiteten Ausspruch des zweijährigen Steuermannssohns Klein Heini wieder, der beim Anblick seiner just geborenen Schwester verblüfft befand: Vadder, dat is ja 'n lütt Schlitzmatroos!

Auf praktisch jeder Seite ist zu spüren, wie viel Freude Peter Schmachthagen beim Zusammenstellen und Beschreiben solcher Anekdoten hatte. Dabei dachte der Autor nie und nimmer an einen solchen Erfolg, als ihn kurz nach seiner Pensionierung ein Hilferuf aus der Redaktion des Abendblatts erreichte. Dort hatte er drei Jahrzehnte gewirkt, einen Großteil davon als Chef vom Dienst (CvD). Zuvor war das bodenständige Nordlicht als Chefredakteur einer Zeitung in Schleswig-Holstein im Einsatz.

Die alten Kollegen in der Abendblatt-Redaktion hatten "nur" eine kleine Bitte: Die gerade frisch gestartete tägliche Serie "Sprechen Sie Hamburgisch?" erntete enorme Leserreaktionen und brauchte einen Motor mit Zeit, Herz, Leidenschaft. Konsequenz: Peter Schmachthagen, der 2011 seinen 70. Geburtstag feiern wird, formte die liebenswerten Stücke mit der großen Portion Heimatgefühl zur erfolgreichsten Rubrik in der Zeitung. Der Schritt zum Lesebuch mit mundartlichen, indes auf Hochdeutsch geschriebenen Stichwörtern ließ nicht lange auf sich warten.

Kenner im Großraum Hamburg griffen hocherfreut zu. Auf einer Plattdeutsch-Tagung im Rathaus der Hansestadt berichtete Gerd Spiekermann, renommierter Plattdeutsch-Experte des NDR, von seinen persönlichen Erlebnissen, als er kurz vor Weihnachten des vergangenen Jahres von Buchhandlung zu Buchhandlung eilte, um noch Exemplare für seine Familie zu ergattern.

Spiekermann begleitet auch den Start des zweiten Bandes auf NDR 90,3. Jeweils donnerstags vom 11. November bis zum 9. Dezember verlost er wöchentlich fünf Bücher an Hörer, die die richtige Antwort wissen. Um 9.50 Uhr umschreibt er jeweils einen Begriff aus dem neuen Buch. Und dann heißt es traditionell: "Nu pass mol op!"

Peter Schmachthagen musste im Laufe der Recherche etwa 10 000 Vorschläge, darunter natürlich viele Dubletten, redigieren, die Leser an die Redaktion geschickt hatten. Das meistgenannte Wort: eisch, im Sinne von ungezogen, gefolgt von appeldwatsch (wunderlich). Mit manchem Leser, einer von ihnen lebt in Caracas, entwickelte sich ein täglicher Gedankenaustausch. Im Laufe der Monate wuchs die Bibliothek des Autors zu Hause um fast 500 Exemplare unter der Zielrichtung "Hamburg - Hamburgisch - Plattdeutsch". Unverzichtbar darunter das fünfbändige Hamburgische Wörterbuch.

Angereichert wurde die Zusammenstellung der kleinen Texte mit einer liebevollen Optik: Auch "Sprechen Sie Hamburgisch?"-Band zwei lebt von besonderen Fotos, außergewöhnlichen Zeichnungen und nicht zuletzt einer Dialektkarte. Unter dem Strich regt das Schmökern zum Nachdenken und Erinnern an. Wer weiß zum Beispiel, wo Dr. Faustus im Stundentakt ins Fegefeuer gestoßen wurde? Oder warum das Millerntor bei Dunkelheit verschlossen war, sodass Spätheimkehrer ein Torgeld bezahlen mussten?