Jürgen Roth, 65, Autor des Buches “Gangsterwirtschaft - wie uns die organisierte Kriminalität aufkauft“ (19,95 Euro).

Hamburger Abendblatt:

1. In Italien hat die Polizei knapp 100 Mafiosi festgenommen und angeblich die Spitze der Cosa Nostra ausgeschaltet. Trauen Sie einer solchen Erfolgsmeldung?

Jürgen Roth:

Seit Jahren gibt es derartige Erfolgsmeldungen, und die Cosa Nostra ist trotzdem immer noch eine der mächtigsten kriminellen Organisationen. Sie kann ihre Führungskader sehr schnell erneuern. Und sie genießt hohen politischen Einfluss.

2. Beschlagnahmt wurden Güter im Wert von 400 Millionen Euro. Schwächt das die Organisation empfindlich?

Roth:

Jede Beschlagnahme von Gütern schwächt die Organisation. Und 400 Millionen Euro sind ein gewaltiger Betrag. Andererseits heißt das noch lange nicht, dass die Beschlagnahmung auch tatsächlich durch die zuständigen Gerichte bestätigt werden wird.

3. Wie groß schätzen Sie den Einfluss der Mafia in Deutschland ein?

Roth:

Die italienische Mafia hat in bestimmten Regionen Deutschlands sicher wirtschaftlichen Einfluss, von bedeutendem politischen Einfluss wie in Italien kann keine Rede sein. Betroffene Branchen sind Immobilien, Restaurants, Freizeiteinrichtungen, das Baugewerbe, das Müllgeschäft, insbesondere Verbringung von Giftmüll, gerade bei der kalabresischen 'Ndrangheta. Eine Rolle spielt sie im Drogengeschäft, hier mit anderen kriminellen Organisationen. Viel gefährlicher ist die osteuropäische organisierte Kriminalität, weil sie großen wirtschaftlichen wie politischen Einfluss in Deutschland hat.

4. Gehen deutsche Fahnder und Behörden entschieden genug gegen die Mafia in unserem Lande vor?

Roth:

Wenn die deutschen Fahnder die entsprechenden Informationen erhalten, um Ermittlungen und Strafverfahren einzuleiten, denke ich, ja. Das scheint jedoch besonders schwierig zu sein. Hinzu kommt, dass die personellen und finanziellen Ressourcen bei der Kriminalpolizei in der Vergangenheit sehr ausgedünnt wurden. Und es fehlt ihnen in der Regel die politische Rückendeckung.

5. Wie gefährlich ist es für Sie als Buchautor, über die organisierte Kriminalität zu recherchieren und zu schreiben?

Roth:

Das Risiko gehört zum Berufsalltag. Es wäre pure Koketterie, über Bedrohung hier in Deutschland zu sprechen. Gefährlich wird es, wenn die konkreten wirtschaftlichen Interessen der hier lebenden Mafiosi bedroht sind. Doch hier aufzuklären gelingt ja nicht mal der Polizei, wir Buchautoren können nur begründete Verdachtsmomente mitteilen. Die sind durch das Presserecht stark eingeschränkt. So lautet meine Devise: Ohne Risiko gibt es keine Enthüllungen. Ich gehe dieses Risiko ein, um aufklären zu können.