Amerika wählt aus Verzweiflung die Republikaner.

Es gibt eine beunruhigende Parallele zwischen der Entwicklung in Teilen der islamischen Welt und Teilen der amerikanischen Bevölkerung. Überfordert von der immer komplexer werdenden Gegenwart und unter den Folgen der Globalisierung leidend, suchen beide Gruppen nach einfachen Antworten, orientieren sich verzweifelt rückwärts gewandt an den goldenen Zeiten und simplen Rezepten der Vorväter. Die Folge ist eine politische Radikalisierung. Der Wahlsieg der Republikaner, unter ihnen viele Kandidaten der erzkonservativen Tea-Party-Bewegung, ist ein Manifest der landestypischen Ungeduld und der politischen Selbsttäuschung. Dean Acheson, Außenminister unter Präsident Harry Truman, sagte einmal, die Amerikaner erwarteten für alles ein Aspirin, das sie über Nacht ihrer Probleme enthebt.

Viele, die Obama 2008 wählten, erwarteten ein derartiges Wunderrezept und wenden sich nun enttäuscht von ihm ab. Vielleicht bestand sein schwerster taktischer Fehler darin, die völlig überzogenen Erwartungen an ihn nicht rechtzeitig und überzeugend zurechtgerückt zu haben. Zu lange sonnte sich Obama in messianischem Glanz. Zudem blenden Millionen Amerikaner trotzig den Umstand aus, dass ebenjene Partei, von deren Politiker sie nun die Heilung des Landes erhoffen, Amerika erst in diese desolate Lage geführt hat. Obama wird dafür abgestraft, die Fehler anderer nicht in Rekordzeit behoben zu haben. Das Gift des Hasses hat den Wahlkampf vergiftet und könnte auch den Rest der Legislaturperiode noch wirksam bleiben. Barack Obama mit Adolf Hitler gleichzusetzen, wie es seine Gegner unter Beifall taten, weil er Millionen Amerikaner krankenversichern will, zeigt die Hysterie einer ins Wanken geratenen Hypermacht. Angesichts von echten 17 Prozent Arbeitslosigkeit und Millionen zwangsversteigerter Eigenheime steht nichts weniger als der amerikanische Traum zur Disposition. Doch das Heil liegt nicht in einer verklärten Vergangenheit; die USA werden ihr Selbstmitleid ablegen und sich schmerzhaft neu erfinden müssen - was man diesem Land getrost zutrauen sollte.

Das Wahlergebnis bedeutet natürlich eine Schwächung Obamas, der nun Kompromisse mit seinen Gegnern eingehen muss - was bislang nicht zu seinen Stärken zählt. Es leitet jedoch nicht unbedingt das Ende seiner Präsidentschaft ein. Falls es Obama in den kommenden beiden Jahren doch noch gelingt, die Wirtschaft anspringen zu lassen, falls republikanische Politik sich gar unübersehbar in Blockade erschöpft, steht seiner Wiederwahl nichts im Wege.