Ein Kommentar von Tom R. Schulz

Noch vor einer Woche waren die Vorverkaufszahlen mau, und die Veranstalter knabberten nervös an den Nägeln. Doch wer sich am Sonnabend vor den eisern bewachten Eisentüren der Hallen 1, 2 und 6 von Kampnagel die Beine in den Bauch stand, weil wegen Überfüllung gerade mal wieder keiner reingelassen wurde, der begriff: Das erste Festival "Überjazz", Nachfolger der stets bemühten, aber eher drögen Hamburger Jazztage, wurde zum Überraschungserfolg der Saison.

23 Bands, darunter alte Hasen und junge Helden, Abgefahrenes und Arriviertes im unberechenbaren Mix: So - und vielleicht nur so - funktioniert ein noch dazu auf zwei knackige Abende (und aasig lange Nächte) komprimiertes Jazzfestival in Hamburg. Was das Wunder noch ein bisschen größer und schöner macht: Es ist in diesem Jahr ja schon die zweite Festival-Neugeburt im Jazz, die von Einheimischen und extra Zugereisten freudig begrüßt wird. Der kleine große Bruder Elbjazz, Ende Mai zur Welt gekommen, teilte großzügig manches Spielzeug (Bibi Tanga, Tango Crash, Rusconi, Bobo Stenson), und es ist zu erwarten, dass die Geschwister sich auch weiterhin gut verstehen. Denn ihre vielen Eltern sitzen nicht nur im selben Boot. Sie wollen auch in dieselbe Richtung.

Wermutstropfen mussten die Musiker schlucken, die zu Opfern der ambulanten Neugier der Fans wurden. Brav warteten sie das Ende eines Songs ab, um dann in Scharen zur nächsten Halle weiterzuziehen. "So schlimm war's doch nicht!", rief ein Saxofonist lustig-verzweifelt den Abwanderern hinterher. Wer dann nebenan vor verschlossener Tür stand, gab ihm bestimmt doppelt recht.