Klaus-Peter Schöppner, 60, Chef des Umfrage- und Forschungsinstituts Emnid

Hamburger Abendblatt:

1. Die CSU hat sich auf ihrem Parteitag so sehr gestritten wie selten zuvor. Ist das ein Zeichen von Unzufriedenheit oder neuer innerparteilicher Demokratie?

Klaus-Peter Schöppner:

Es ist mehr ein Zeichen von Unzufriedenheit. Die CSU hat das Außergewöhnliche verloren. Sie ist programmatisch nicht mehr klar und besonders. Und an der Spitze hat sie mit Horst Seehofer nicht die charismatische Figur, auf die man hört. Das führt zu Richtungskämpfen und zu einer unruhigen Profilsuche.

2. Hat die Partei aus ihren miserablen Wahlergebnissen bei der Landtagswahl 2008 und der Bundestagswahl 2009 etwas gelernt?

Schöppner:

Relativ wenig. Die Partei hat lange gut von der assoziativen Verknüpfung "Bayern = CSU" gelebt. Als Bayernpartei ist es der CSU früher gelungen, das Soziale und das Wirtschaftsfreundliche zu verknüpfen. Aber so ist die CSU nicht mehr. Das ist nicht allein Seehofer geschuldet, diese Erkenntnis hatten wir bereits bei Edmund Stoiber, Erwin Huber und Günther Beckstein. Was der CSU inzwischen fehlt, sind die Themen, die den Bürgern wichtig sind.

3. Das Votum für die Frauenquote in Führungspositionen war knapp. Hat die Partei Horst Seehofer damit gestärkt oder geschwächt?

Schöppner:

Die CSU hat sich für die Quote entschieden, damit kein neuer Streit entsteht. Frauenquote und CSU passen nun wirklich nicht zusammen. Hätte man als Partei den Vorsitzenden bei dieser Frage stärken wollen, hätte das Ergebnis deutlicher ausfallen müssen. Ich glaube nicht, dass die Delegierten die Frauenquote gewählt haben. Sie wollten nach außen hin das Bild bewahren, dass man mit einer Stimme spricht.

4. In einem Jahr will Seehofer erneut zum Parteichef gewählt werden. Muss er einen Gegenkandidaten fürchten?

Schöppner:

Das hängt natürlich allein davon ab, ob der einzig mögliche Gegenkandidat Karl-Theodor zu Guttenberg antritt. Seehofer und Guttenberg sind diametral entgegengesetzte Persönlichkeiten. Seehofer ist Parteisoldat. Das schätzt die CSU an ihm. Wenig Ansehen hat er beim politischen Gegner. Die hohen Zustimmungswerte für Guttenberg sind auch darin begründet, dass selbst SPD und Grüne ihn anerkennen. Guttenberg wäre der universelle Kandidat, der Bürgerkandidat. Die CSU muss sich entscheiden, welcher Kandidat ihr strategisch mehr nützt.

5. Es besteht innerhalb der CSU kein Zweifel, dass Guttenberg nächster Parteichef werden wird. Wann kommt seine Zeit?

Schöppner:

Die einen sagen, Guttenberg soll noch warten. Die anderen sagen, er darf nicht zu lange warten. Irgendwann ist man als Hoffnungsträger auch verbrannt. Wenn Guttenberg seiner Partei bei der Landtagswahl 2013 helfen will, dann müsste er bald seinen Hut in den Ring werfen.