Die Staatsanwaltschaft geht gegen Mediziner und Pharmavertreter vor. Es sollen Schmiergelder in fünfstelliger Höhe geflossen sein.

Hamburg. Die Staatsanwaltschaft Hamburg geht gegen zwölf niedergelassene Ärzte und Vertreter von Pharmafirmen vor. Sie sollen sich auf den Verkauf von Medikamenten bestimmter Hersteller geeinigt haben. Dafür sei Schmiergeld in teils fünfstelliger Höhe geflossen. Gegen einen Allgemeinarzt und eine Mitarbeiterin der Pharmafirma Ratiopharm ist bereits ein Verfahren vor dem Landgericht eröffnet worden. Der Prozess gilt als Musterverfahren: Es geht um die Frage, ob niedergelassene Ärzte überhaupt wegen Bestechung belangt werden können.

Von Februar 2004 bis zum August des Folgejahres soll Reinhard B. etwa 11 000 Euro dafür erhalten haben, dass er seinen Patienten vor allem Medikamente des Herstellers Ratiopharm verschrieb. Sieben Schecks, ausgestellt auf 1200 bis 1700 Euro, landeten dafür auf dem Schreibtisch des 60-jährigen Allgemeinmediziners - unterschrieben von Kerstin R. aus Wandsbek. Laut Staatsanwaltschaft hatten der Arzt und die 41-jährige Ratiopharm-Vertreterin zuvor vereinbart, eine spezielle Software auf dem Praxiscomputer zu installieren.

Immer wenn der Arzt die für seine Patienten benötigten Medikamentengruppen aufrief, seien als erstes Produkte von Ratiopharm angeboten worden. Bei einer Verschreibung soll er 2,5 Prozent des Herstellerabgabepreises der Medikamente erhalten haben. Über die Software habe Kerstin R. jederzeit nachvollziehen können, welche Verschreibungen der Mediziner gerade gemacht hatte.

Die Staatsanwaltschaft klagte die beiden wegen "Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr" in besonders schweren Fällen an, da sie zudem gewerbsmäßig gehandelt haben sollen. Ihnen drohen zwischen drei Monaten und fünf Jahren Haft. "Unserer Auffassung nach sind niedergelassene Ärzte Beauftragte des geschäftlichen Betriebs der Krankenkassen", sagte der Sprecher der Staatsanwaltschaft, Wilhelm Möllers. Er sieht darin den Tatbestand der Bestechlichkeit erfüllt.

Diese Auffassung habe sich bislang nicht durchsetzen können. Ärzte wie Reinhard B. handelten bundesweit in rechtlicher Grauzone, der die Staatsanwaltschaft durch höchstrichterliche Rechtsprechung ein Ende setzen will. Sollten die Angeklagten freigesprochen werden, werde Revision beim BGH eingelegt, so Möllers. "Fairer Wettbewerb und Qualität müssen entscheidend sein, nicht das Handeln in möglicherweise rechtlichen Grauzonen." Ein Urteil des Ulmer Amtsgerichts könnte in diesem Prozess richtungsweisend sein: Es hatte am Dienstag zwei Ärzte wegen Bestechlichkeit verurteilt, die 14 Schecks von Ratiopharm annahmen.

Kerstin R. soll neben B. noch drei weitere Ärzte in Hamburg bestochen haben, gegen die aber noch keine Anklage erhoben wurde. Zwei sollen Schecks mit je 500 Euro, ein dritter knapp 6000 Euro erhalten haben. Gegen sieben weitere Personen wird ermittelt.

"Es ist richtig, Ärzte in die Verantwortung zu nehmen, da sie ja schließlich treuhänderisch mit Versichertengeld umgehen", begrüßte Frank Keller, Leiter der Stelle zur Bekämpfung von Fehlverhalten im Gesundheitswesen bei der Techniker Krankenkasse das Verfahren. Trotz Anzeigen blieben aber viele Fälle ungesühnt, weil es in Hamburg keine Spezialisten gebe, die solche Fälle im komplexen Gesundheitswesen erkennen und auch verfolgen könnten.

Der Ratiopharm-Konzern war nicht für eine Stellungnahme zu erreichen. Eine Sprecherin der Ärztekammer sagte, ihr seien keine ähnlichen Fälle bekannt. Sollte es zu einer Verurteilung kommen, werde die Kammer aber prüfen, ob das Berufsrecht weitere Sanktionen vorgebe. Ob Reinhard B. dann seine Approbation verliert, muss die Gesundheitsbehörde entscheiden.