Dr. Werner Thissen, 71, ist seit Januar 2003 Erzbischof von Hamburg.

Hamburger Abendblatt:

1. Die Kirchen, ob katholisch oder evangelisch, kritisieren regelmäßig den Rummel um Halloween. Was stört Sie an diesem Spaßfest?

Dr. Werner Thissen:

Stören ist vielleicht etwas übertrieben. Aber Halloween hat wenig Sinn und steht nicht in einem Kontext, der für Menschen aufbauend und hilfreich ist, sondern ist sehr oberflächlich. Für mich als Rheinländer klingt das einfach nur wie 'Spaß an der Freud'.

2. Könnten die Kirchen vielleicht die Beliebtheit von Halloween auch für ihre eigenen Zwecke nutzen?

Thissen:

Wir haben ja um diese Zeit unsere kirchlichen Feiertage, also die Protestanten ihr Reformationsfest, die Katholiken Allerheiligen und Allerseelen. Eine Brücke sehe ich darin, dass der Kürbis von Halloween auch als Maske und als eine Art Verkleidung eingesetzt wird, was daran erinnern könnte, dass der Mensch im Wandel und der Tod der radikalste Wandel im menschlichen Leben ist.

3. Die von Ihnen genannten Gedenktage im November haben eher einen bedächtigen Charakter. Hat die Kirche damit überhaupt eine Chance gegen den ausgelassenen Kult um den Kürbis?

Thissen:

Vielleicht müssen wir als Kirchen in unseren Festen nicht nur das Ernste sehen, sondern auch die damit verbundene Freude. Aber an etwas so Sinnentleertem wie Halloween können wir uns bei unseren Ansprüchen nicht orientieren.

4. Vermissen Sie eine angemessene Feiertagskultur in unserer hektischen Zeit?

Thissen:

Wir kämpfen als Kirchen um eine Kultur des Sonntags, damit der nicht zu einem Werktag verkümmert. Die Geschäfte sollten dann, von Ausnahmen abgesehen, geschlossen bleiben. Aber wir merken auch, wie schwer das zu vermitteln ist. Dennoch halten wir daran fest. Der Sonntag ist uns heilig, das steht auch in der Bibel.

5. Wäre es da nicht sinnvoll, dass Sie als Erzbischof einen Vorstoß unternehmen, einen kirchlichen Feiertag auch in Hamburg wieder als gesetzlichen Feiertag einzuführen, etwa Allerheiligen, der am Montag in Nordrhein-Westfalen und in Süddeutschland ein Feiertag ist?

Thissen:

Das kann ich mir praktisch und theoretisch nicht vorstellen, weil die arbeitsfreien Tage sehr sorgfältig in den Bundesländern ausgehandelt worden sind. Wir sollten lieber unsere kirchlichen Feste mit sinnentsprechenden Angeboten gestalten. Am Montagabend feiern wir einen feierlichen Gottesdienst im Mariendom, ziehen in die Krypta zu den Gräbern der beiden dort beigesetzten Bischöfe und gedenken der Verstorbenen des letzten Jahres.